Die Zukunft des Kohlekraftwerks Datteln, gegen das ein Teil-Baustopp verhängt ist, könnte zur Belastungsprobe für die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW werden.
Als Anfang Oktober in Oberhausen im Haus von Bundespolitikerin Bärbel Höhn die Spitzen der Grünen aus NRW und dem Ruhrgebiet zusammenkamen, wussten sie, dass sie einen Sprengsatz entschärfen müssen. Es ging um die anstehende Genehmigung des Eon-Kohlekraftwerks in Datteln. Sollte ihnen kein Ausweg einfallen, könnte bei einer etwaigen Explosion des Sprengsatzes die NRW-Minderheitsregierung zusammenbrechen. „Das ist unser Stuttgart 21“, sagte ein Spitzengrüner in der Runde.
Als Gäste von Bärbel Höhn waren der NRW-Umweltminister Johannes Remmel, die Grünen-Fraktionschefs in Düsseldorf und im Regionalverband Ruhr, Reiner Priggen und Martin Tönnes, sowie der Planungsdezernent des Verbandes, Thomas Rommelspacher und einige weitere grüne Spitzenkräfte anwesend. Sie alle wollen das Kraftwerk Datteln um den Preis der eigenen Glaubwürdigkeit verhindern. Ihr Argument: die Anlage sei aus Klimaschutzgründen nicht realisierbar.
Problem sollte sich von allein erledigenRelated content
Eigentlich sollte das kein Problem für die rot-grüne Koalition in Düsseldorf sein. In ihrem Regierungsvertrag hatten sich SPD und Grüne darauf geeinigt, keine Gesetze nachträglich zu verändern, um das Kraftwerk möglich zu machen – oder es zu verhindern. Beide Seiten hofften darauf, dass sich das Problem von selbst erledigen würde.
Denn seit Herbst 2009 steht der Dattelner Kohleofen nach einem Gerichtsentscheid auf der Kippe. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte damals entschieden, dass der Eon-Meiler gegen die Landesplanung verstoße. Doch Eon beantragte erneut eine Genehmigung auf Basis nachgebesserter Unterlagen. Diese müssen vom Regionalverband Ruhr beschlossen werden, der ebenfalls von einer rot-grünen Koalition beherrscht wird. Die Vorlage für die Entscheidung muss die Verwaltung bis zum 8. November präsentieren. Und diese kam nach eingehender Prüfung aller Dokumente zum Schluss: Eon müsse die Genehmigung gegeben werden. Die entscheidende Sitzung ist Mitte Dezember.
SPD will Pro-Eon-Beschluss durchpeitschen
Mehr noch: Auch die Ruhr-SPD setzt mit Rückendeckung durch die Gewerkschaft IG BCE alles daran, einen Beschluss Pro-Eon durchzupeitschen. Dabei suchen sie auch Unterstützung beim designierten neuen RVR-Chef Christoph Dänzer-Vanotti. Dieser hat als ehemaliger Eon-Vorstand selbst an der Planung des Kohlekraftwerkes mitgewirkt. Zudem hat Eon bereits vertraulich einen Deal angeboten. Ein knappes halbes Dutzend alte Kohleöfen könnten für Datteln abgeschaltet werden, heißt es.
Für die Grünen eine unangenehme Lage. Der Druck der SPD passt ihnen nicht, und auch das Eon-Angebot ist für sie nicht annehmbar. Die Öfen müssen ohnehin bis 2015 abgeschaltet werden. Wie mehrere Teilnehmer der Oberhausener Höhn-Runde dieser Zeitung bestätigten, drängten die Spitzengrünen aus diesem Grund den RVR-Planer Rommelspacher, irgendwelche Verfahrensfehler zu benennen, um das Kraftwerk zu blockieren – und so einen Streit mit der SPD zu vermeiden.
Doch der winkte ab. Es gebe nichts, was einem Gerichtsverfahren standhalten würde. Seiner Ansicht nach sei es nur möglich, das Kraftwerk zu blockieren, wenn SPD und Grüne im Landtag zügig ein Klimaschutzgesetz beschließen würden, in dem die Senkung des Ausstoßes des klimaschädlichen Gases CO2 verbindlich gefordert werde.
Prinzipienstreit vermeidenRelated content
Spätestens hier erreicht der Konflikt die Landesebene. Sowohl Fraktionschef Priggen als auch Umweltminister Remmel glauben nicht daran, dass so ein Gesetz zügig mit der SPD umsetzbar ist. Zudem hat NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) erklärt, er wolle sich fürs Dattelner Kraftwerk einsetzen.
Um hier einen Prinzipienstreit zu vermeiden, setzen Grüne und SPD darauf, den Konflikt im RVR einzudämmen, wie Insider bestätigen. Ein gewagter Plan. Sollte nämlich die SPD im RVR rund um den Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski ihre Position nicht aufgeben, wären die Grünen im Regionalverband gezwungen, gegen die Ruhr-SPD vorzugehen. Der Koalitionsbruch im Verband wäre programmiert. Mit unabsehbaren Folgen für die rot-grüne Minderheitsregierung im Lande.
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