Berlin.

Ulrich Weber, Personalvorstand der deutschen Bahn, im Gespräch mit DerWesten: „Wir nehmen die Hauptschule ernst.“

Die Hauptschule? Ein Auslaufmodell, sagen Bildungspolitiker. Hauptschüler sind schlecht, sagen Manager. Die Bahn tickt anders. Ulrich Weber ist ihr Personalvorstand. Er stellt fest: „Wir nehmen die Hauptschule ernst. Wir brauchen die Hauptschüler. Wir haben mit ihnen gute Erfahrung gemacht“.

Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte er: „Ich halte das Schwarz-Weiß-Bild, das vermittelt wird, für falsch. Wir kritisieren häufig pauschal fehlende Kompetenzen. Aber wir haben aus unserem eigenen Erleben so oft ein positives Bild der jungen Menschen – gerade, wenn wir sie im Job erleben“. Die Bahn besetzt heute ein Viertel der Ausbildungsplätze mit Hauptschulabsolventen – darunter die für Gleisbauer, Lageristen, Rangierer, auf den Bahnhöfen und im Sicherheitsdienst. „Für die Herausforderungen der Zukunft setzen wir vor allem auf die eigene Berufsausbildung, über die wir 90 Prozent unseres Nachwuchses bekommen. Wir sind einer der größten Ausbilder in Deutschland und haben nach der Ausbildung eine Übernahmequote von ebenfalls 90 Prozent“.

Weber sagte, das Unternehmen rekrutiere auch junge Leute ohne Abschluss. „Seit 2009 bieten wir jungen Menschen ohne Schulabschluss an, neben dem Praktikum in der Gebäude- und Fahrzeugreinigung oder als Grünanlagenpfleger den Hauptschulabschluss bei uns nachzuholen. Dass unsere Erfahrungen gut sind, ist leicht nachvollziehbar. Jeder will doch etwas aus seinem Leben machen“.

Die Bewerber sollen merken: Die Bahn bietet was

Im November starten überdies neue Praktikanten-Klassen mit bundesweit über 400 jungen Leuten, die erst „bedingt ausbildungsreif“ sind. In NRW würden es mehr als 100 sein, sagte Weber. Drei Viertel der Absolventen dieses Programms „Chance Plus“ würden in die Ausbildung oder direkt in einen Job bei der Bahn übernommen.

Der Manager, der 2009 in den Vorstand des Staatsunternehmens einzog und vorher Arbeitsdirektor bei der Essener Evonik Industries AG war, glaubt, dass die Wirtschaft künftig mehr als bisher um Fachkräfte buhlen muss: „Die Kandidaten, die gut qualifiziert sind, werden künftig größere Chancen haben, unter den Arbeitgebern auszuwählen“. Sein Unternehmen werde sich darauf einstellen müssen: „Die Bewerber müssen merken: Die Bahn bietet was“. Der konzerninterne Arbeitsmarkt sorge dafür, dass Mitarbeiter nicht arbeitslos würden. Das sei so ein Pluspunkt. Überdies kooperiere die Bahn bundesweit mit 350 Schulen aller Schulformen. „Wir müssen sehr gezielt und differenziert suchen“.

Der Personalchef kündigte an, bei der Anwerbung von Auszubildenden und Arbeitskräften würden Auswahlkriterien „sachgerecht“ angepasst. „Früher mag allein die Zwei in Mathe entscheidend gewesen sein. Heute ist durchaus auch das, was man früher Kopfnoten nannte, wieder wichtig: Sozialverhalten, Fleiß, Engagement“.