London. .

Im 20. Jahr nach der Einführung des ICE-Verkehrs in Deutschland wird der Hochgeschwindigkeitszug der Bahn erstmals in London vorgestellt. Ab 2013 plant die Bahn regelmäßige Direkt-Verbindungen von Köln durch den Eurotunnel.

Der Stolz der Deutschen Bahn durfte nicht einmal alleine fahren, sondern musste sich von einer Extra-Lokomotive durch den Ärmelkanal-Tunnel ziehen lassen. Trotzdem ist die erste Fahrt eines ICE von Frankreich nach Großbritannien am Dienstag für die Deutsche Bahn von großer Bedeutung: Sie ist der erste Schritt, um Züge von Deutschland durch den Eurotunnel nach Großbritannien fahren zu lassen. Und die Testfahrt steht symbolisch für den internationalen Kurs, den der letzte große deutsche Staatskonzern schon seit Jahren eingeschlagen hat.

Erstmals hat ein ICE der Deutschen Bahn den Tunnel unter dem Ärmelkanal durchquert. Der ICE „Schwäbisch Hall“ fuhr in der Nacht zu Dienstag zu einer Testfahrt von Frankreich nach Großbritannien. Für die Deutsche Bahn, die ab Ende 2013 regelmäßige Zugverbindungen von Deutschland nach London anbieten möchte, brächte die Strecke vor allem internationales Prestige.

Der ICE hatte in den vergangenen Tagen bereits mehrere Testfahrten in der Verbindung unter dem Meer gemacht. Am Nachmittag sollte der Zug im Londoner Bahnhof St. Pancras vorgestellt werden. An der Feier wollten Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und die britische Vize-Verkehrsministerin Theresa Villiers teilnehmen.

Verkehrs-Liberalisierung im Eurotunnel

Die Züge der Deutschen Bahn dürfen diese Strecke bislang aus Sicherheitsgründen nicht befahren: Die Rettungsvorschriften sehen vor, dass die 400 Meter langen Eurotunnel-Züge von vorne bis hinten zu durchlaufen sein müssen. Die modernen ICEs sind aber in zwei Halbzüge von je 200 Metern Länge unterteilt. Nach den bislang nach Angaben der Bahn erfolgreich verlaufenen Tests gibt sich die Bahn aber optimistisch, von der Betreibergesellschaft Eurotunnel bald die Freigabe zu bekommen.

Die Deutsche Bahn hat die prestigeträchtige Verbindung von Frankreich nach Großbritannien schon seit langem im Visier. Seit der Eröffnung des Eurotunnels 1994 fahren dort nur die Züge von Eurostar, einer Tochter der französischen Staatsbahn SNCF. Die 50 Kilometer lange Tunnelstrecke ist nach Angaben von Eurotunnel die am meisten befahrene Eisenbahnstrecke der Welt. Sie wird im Zuge der Liberalisierung des Zugpassagierverkehrs in der EU nun für Konkurrenzunternehmen geöffnet.

Für die Deutsche Bahn könnte die Eurotunnel-Verbindung finanziell lukrativ sein, denn sie könnte etwa die beiden Finanzzentren Frankfurt am Main und London miteinander verbinden. Bahn-Chef Grube rechnet mit mehr als einer Million Fahrgäste pro Jahr. Außerdem aber böte eine solche Verbindung ein hohes Prestige - und wäre ein Symbol für den internationalen Kurs, den die Bahn seit Jahren einschlägt.

Widerstand aus Frankreich

Widerstand könnte der Bahn aber aus Frankreich drohen. Die SNCF ist bedacht, möglichst wenig Konkurrenz im eigenen Land zuzulassen. Derzeit gibt es zwischen Berlin und Paris Spannungen um eine Bestellung der SNCF-Tochter Eurostar: Diese will nach einer Ausschreibung die neue Generation ihrer Züge beim deutschen Technologiekonzern Siemens bestellen, eine herbe Niederlage für den bisherigen französischen Lieferanten und Siemens-Konkurrenten Alstom.

Frankreichs Verkehrsminister Dominique Bussereau hatte die Bestellung der Siemens-Züge durch Eurostar in der vergangenen Woche als „null und nichtig“ bezeichnet. Ein Vertrag mit Siemens könne erst unterschrieben werden, wenn die Sicherheitsvorschriften eingehalten würden, was zur Zeit nur bei Alstom-Zügen der Fall sei. Diese Kritik wies die Bundesregierung am Dienstag erneut zurück: „In der ganzen Welt gilt „Made in Germany“ als Qualitätsmerkmal. Es wäre schön, wenn unsere französischen Freunde das auch so sehen,“ sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) dem „Handelsblatt“. (afp)