Berlin. .
Der Energieexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Holger Krawinkel, pocht auf eine starke Subventions-Kürzung für Erneuerbare Energien und eine Überarbeitung des Energiekonzepts der Regierung.
Die Solarindustrie hat vor Jahren versprochen, dass Sonnenstrom 2015 wettbewerbsfähig, also ebenso teuer wie andere Energieformen ist. Warum muss es überhaupt noch eine Förderung geben?
Holger Krawinkel: Die Solarindustrie hat dafür die Endverbraucherpreise herangezogen - die sogenannte „Grid-Parity“. Das war eine Milchmädchenrechnung. Konkurrenzfähig ist Ökostrom erst, wenn er zu Großhandelspreisen erzeugt werden kann. Dieser Preis liegt derzeit bei fünf Cent pro Kilowattstunde. Solarstrom könnte heute etwas weniger als 20 Cent kosten. 15 Cent sind vielleicht möglich. Mehr ist mit der heutigen Technik aber nicht erreichbar. Das Wort von der „Grid-Parity“ war eher ein PR-Gag.
Besteht aufgrund der hohen Subvention nicht die Gefahr, dass die Hersteller der Ökostromanlagen sich gar nicht um effiziente Technologien bemühen, sondern die Preise künstlich hochhalten?
Krawinkel: Das ist so. In den Solarfabriken gibt es alte und neue Produktionsstätten. Die neuen mit einer hohen Qualität und einem hohen Wirkungsgrad stehen in China, die alten in Deutschland. Die Deutschen wollen ihre alten Anlagen möglichst lange betreiben. Das Interesse an der bestmöglichen Fertigung ist daher gering, denn auch die weniger gute wird ja gefördert. Deshalb muss die Subvention der Photovoltik schnell weiter gekürzt werden. Die Renditen für die Betreiber der Anlagen liegen derzeit bei zehn bis 15 Prozent. Der Ertrag sollte auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Faktisch sieht es doch so aus. Die Mieter in Regionen wie Hamburg oder Berlin mit wenig Sonne bezahlen über die Einspeisevergütung die Altervorsorge der Häuslebauer und Landwirte in Bayern und Baden-Württemberg.
Die Solarindustrie argumentiert gerne mit den vielen neuen Jobs in Deutschland. Rechtfertigen Arbeitsplatzeffekte die Abschöpfung der Verbraucher, zumal auch noch systematisch Produktionsstätten nach Asien verlegt werden?
Krawinkel: Man hat versucht mit dem EEG deutsche Industriepolitik zu machen. Dies ist bei der Solarenergie zu teuer und gescheitert, weil vor allem China profitiert. Auch im Interesse der Industrie hatte man längst stärker kürzen müssen. Aber die Förderung des Solarstroms wurde hoch gehalten, weil die jetzige Bundesregierung Angst hatte, wegen der Verlängerung der Atomlaufzeiten noch stärker in die Kritik zu geraten.
Wie würde ein Energiekonzept aussehen, bei dem die CO2-Einsparung, also der Klimaschutz, die höchste Priorität genießt?
Krawinkel: Das beste Instrument gibt es mit dem Emissionshandel schon. Dieses Instrument führt dazu, dass dort CO2 eingespart wird, wo der Nutzen am größten ist und sollte deshalb auf andere Bereiche ausgedehnt werden. Statt dessen geben wir sieben bis acht Milliarden Euro für die Förderung der erneuerbaren Energien aus, wobei insbesondere der Klimaeffekt der Photovoltaik nicht sehr hoch ist. Auf der anderen Seite ist kein Geld da für die Gebäudesanierung. Mit jährlich fünf Milliarden Euro Förderung könnte die Zahl der energetischen Modernisierung verdoppelt und viel CO2 eingespart werden. Der Verkehr spielt im Konzept kaum eine Rolle. Dabei kann der Klimaschutz hier mit einem vergleichsweise geringen Aufwand vorangetrieben werden. Ein Tempolimit auf den Autobahnen ist ein Beispiel dafür. Es würde nichts kosten, aber etwas bringen. Auch über eine nutzerfinanzierte Infrastruktur müsste gesprochen werden, also eine Citymaut oder die Pkw-Maut. Da kann man die Bürger fragen, ob sie diese Maßnahmen wollen oder nicht.
Sollte die Politik das Energiekonzept noch einmal überdenken?
Krawinkel: Ja, denn die Prioritäten sind noch nicht klar geworden. Die Bundesregierung denkt nur in Einzelkategorien. Ein bisschen Kraft-Wärme-Kopplung, ein wenig mehr Atomkraft, etwas Netzausbau und so weiter. Das ist intellektuell enttäuschend. Es muss ein Gesamtplan diskutiert und vielleicht auch wie in der Schweiz dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden.
Wird die Diskussion um erneuerbare Energien zu ideologisch geführt?
Krawinkel: Es gibt zwei ideologisch starre Blöcke. Der eine hält an der herkömmlichen Energieerzeugung fest, der andere sieht nur die erneuerbare Energie. Wir bräuchten eine rationale Politik. Doch eine Mittelposition wird von keiner Partei vertreten.