Berlin. .

Das Herbstgutachten führender deutscher Wirtschaftsinstitute bescheinigt Deutschland ein kräftiges Wachstum. Trotzdem drohen unkalkulierbare Risiken.

Rund eineinhalb Jahre ist es her, da mussten mehr als eine Million Beschäftigte we­gen der Wirtschaftskrise Kurzarbeit machen und den Gürtel enger schnallen. Im kommenden Jahr dagegen können die Arbeitnehmer in Deutschland mit einem Lohnplus rechnen. So sollen die Bruttolöhne 2011 im Schnitt um 2,8 Prozent steigen. Dies geht aus dem Herbstgutachten hervor, das die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute am Donnerstag in Berlin vorgestellt haben.

3,5 Prozent Zuwachs im Jahr 2010

Es waren nicht die einzigen guten Nachrichten der Ökonomen. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Aufschwung“, sagte Kai Carstensen vom Ifo-Institut. Die Gutachter rechnen damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 3,5 Prozent wächst. Im Frühjahrsgutachten waren sie le­diglich von 1,5 Prozent ausgegangen. Der konjunkturelle Aufschwung setze sich fort, al­lerdings langsamer als im ersten Halbjahr, sagte Carstensen. So war die Wirtschaft vor allem im zweiten Quartal deutlich gewachsen.

Im kommenden Jahr soll das Wachstum dann bei 2,0 Prozent liegen. Dies wirkt sich 2011 auch auf den Arbeitsmarkt aus. Erstmals seit 1992 wird die Zahl der Arbeitslosen wieder unter die Drei-Millionen-Marke fallen. Zudem wird Deutschland al­ler Voraussicht nach auch die Maastricht-Kriterien einhalten – mit einer Defizitquote des Staates von 2,7 Prozent. In der Regel geht es der heimischen Wirtschaft gut, wenn der Ex­portmotor auf vollen Touren läuft. Dieses Mal jedoch ist es auch die Binnennachfrage, die für den unerwartet starken Aufschwung gesorgt hat. Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass 2011 hauptsächlich die Inlandsnachfrage das Tempo der Expansion bestimmen wird, kaum aber der Außenhandel.

Nichtsdestotrotz zeigte sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Donnerstag im fernen Japan hoch er­freut über die Eckdaten des Herbstgutachtens. „Der XL-Aufschwung geht weiter“, prognostizierte Brüderle, der auch weiterhin mit einem „deutlichen Wachstum“ rechnet. Schließlich greife die Konjunkturerholung über auf In­vestitionen, Konsum und Reallöhne. Am 21. Oktober will die Bundesregierung ihre eigene Prognose vorlegen. Brüderle geht von „mindestens einer zwei mit hoher Zahl hinter dem Komma“ aus. Die Wirtschaftsexperten befürchten indes, dass der XL-Aufschwung schneller als erwartet wieder zu Ende geht. „Für die Prognose bestehen erhebliche Risiken“, warnte Carstensen. Die Gefahr sei beträchtlich, dass die USA wieder in eine Rezession rutschen. Zudem sei die Schulden- und Vertrauenskrise einiger Staaten im Euroraum keineswegs vorüber.

Ein echtes Sparpaket

Lob bekam die Bundesregierung für ihren Konsolidierungskurs. Das Sparpaket sei immerhin ein Sparpaket, sagte Carstensen. Noch sei aber unsicher, ob die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden. Die Institute warnen zudem vor der hohen Schuldenquote Deutschlands im Zuge der Krise. Sie könne sich negativ auf das Wachstum auswirken. Der EU-Vertrag sieht hier eine Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor. Doch in Deutschland liegt die Quote bei 75 Prozent. „Sie sollte langfristig deutlich gesenkt werden“, sagte Carstensen.