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Der amtierende Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, greift Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wegen dessen Haltung zur Steinkohlefrage scharf an: „Um vor seiner Klientel zu glänzen, ist Brüderle bereit, deutsches Recht zu brechen und die Interessen der deutschen Steuerzahler zu verletzen“, so Poß.
Hintergrund ist offenbar die Weigerung von Brüderle, sich als federführender Minister für das deutsche Steinkohlegesetz mit dem Auslaufdatum 2018 in Brüssel einzusetzen. Die EU-Kommission hatte im Juli vorgeschlagen, den Bergbau bereits 2014 zu beenden. Nach Aussagen von Poß belegten „seriöse Berechnungen“, dass bei einem vorzeitigen Ausstieg „Risiken in Milliardenhöhe“ drohten. „Brüderles Aufgabe wäre es, die deutschen Gesetze zu befolgen, das umzusetzen, was das Steinkohlefinanzierungsgesetz vorschreibt, und somit im Interesse der deutschen Steuerzahler und Bergleute zu handeln.“
In Kreisen des Bergbau-Unternehmens RAG sowie der Gewerkschaft IG BCE wird vermutet, dass die FDP aus parteipolitischen Gründen an dem Steinkohlekompromiss aus dem Jahre 2007 rüttelt. Am Vortag hatte FDP-Generalsekretär Christian Lindner verlangt, dass die RAG konkrete Zahlen für die jeweiligen Auslaufdaten 2014 und 2018 vorlegen müsse. Das Datum 2014 habe bereits beim Aushandeln des Kohlekompromisses im Jahr 2007 volkswirtschaftlich nahe gelegen.
Mit dieser Argumentation stellen die Liberalen den Steinkohlekompromiss aus dem Jahr 2007, dem Studien von KPMG und Prognos mit zu Grunde gelegen haben, in Frage. Im übrigen sind Brüderle die RAG-Zahlen bekannt. Das geht aus einem Schreiben des RAG-Chefs Bernd Tönjes an den Wirtschaftsminister hervor: In der Anlage des Schreibens, das dieser WR Zeitung vorliegt und vom 6. Oktober stammt, errechnet der Steinkohleförderer auch unter Berufung auf Berechnungen von Prognos eine Mehrbelastung von 1,34 Milliarden Euro bei einem Auslaufdatum 2014 gegenüber 2018.
In dieser Rechnung geht die RAG von 6800 betriebsbedingten Kündigungen sowie von einem Arbeitsplatzverlust in der Zulieferindustrie in Höhe von 8800 aus. Dies führe zu „fiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit“ von rund 3,4 Milliarden Euro. Davon seien einzusparende Subventionen von 2,1 Milliarden Euro abzuziehen. Unter dem Strich müsse die öffentliche Hand mithin mit 1,3 Milliarden Euro Mehrbelastung rechnen.
Einschließlich der wegfallenden Kohleförderung ab 2014 fehlten (auf Basis derzeitiger Kohlepreise gerechnet) weitere 700 Millionen Euro. Damit beliefe sich die Haushaltsbelastung auf 2,1 Milliarden Euro. In einem früheren Schreiben an Brüderle hatte bereits die RAG-Stiftung vor höheren Belastungen bei einem Bergbau-Ende 2014 gewarnt.
Das Tönjes-Schreiben verweist zudem auf die Folgenabschätzung der EU-Kommission, die für eine „regional- und sozialverträgliche Rückführung des Bergbaus“ zehn Jahre veranschlagt hatte.