Essen/Berlin. .

Die Praxis von Sami Othman blieb geschlossen, aber der Hausarzt aus Herne hat sich den Notarztkittel angezogen. Doktor Othman ist zu einem Rettungseinsatz in eigener Sache aufgebrochen. Vor der Essener Grugahalle demonstrierte er für höhere Ärztehonorare. „Der Hausarzt stirbt aus. Die Patientenversorgung leidet da­runter“, sagte der 39-Jährige. Als Symbol für den Niedergang trug Othman ein Kreuz mit sich herum.

Othman war einer von mehreren hundert Medizinern, die gegen Pläne der Bundesregierung protestierten. Die Ärzte wehren sich gegen eine von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) angestrebte Änderung der Hausarztverträge, mit der die Honorare der Mediziner be­grenzt würden. Am 22. September soll das Bundeskabinett das Sparpaket im Gesundheitswesen beschließen.

Die Einkommen der Ärzte sind von 2007 bis 2009 zum Teil deutlich gestiegen. Wie aus der Statistik des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hervorgeht, wuchsen die Zahlungen im Bundesdurchschnitt um elf Prozent. In Westfalen-Lippe und Nordrhein gab es Zuwächse um 15,2 beziehungsweise 9,4 Prozent.

Allerdings gehören nicht alle Mediziner zu den Gewinnern der letzten Honorarreform. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mussten beispielsweise Orthopäden und Anästhesisten Verluste hinnehmen. Nervenärzte, aber auch die Hausärzte profitierten dage­gen stark von der Neuordnung der Vergütung.

Trotzdem reißt der Protest der Allgemeinmediziner ge­gen die Bundesregierung nicht ab. Der Chef des rheinischen Hausärzteverbands, Dirk Mecking, sprach in Essen gar von einem „Krieg gegen die Hausärzte“. Norbert Hartmann vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe gab sich ebenfalls kämpferisch: „Die Zeit der Friedlichkeit ist vorbei“, kündigte er an. Die Bezahlung der Ärzte sei insbesondere in NRW zu niedrig.

„Kranke Menschen vor verschlossenen Türen stehen zu lassen, ist das falsche Mittel, Eigeninteressen durchzusetzen“, sagte dagegen Krankenkassen-Funktionär Johann-Magnus von Stackelberg. Auch der Verband der Ersatzkassen zeigte keinerlei Verständnis für die Ärzte-Proteste. „Damit verspielen die Hausärzte ihren Ruf bei den Versicherten und schaden dem Image des Arztberufes“, so Verbandschef Thomas Ballast. Nach Berechnungen der Ersatzkassen verdient ein durchschnittlicher Hausarzt monatlich 8300 Euro brutto. Dazu kommen Einnahmen aus der Behandlung von Privatpatienten. Die Rechnung geht von durchschnittlichen Einnahmen einer Hausarztpraxis in Höhe von rund 206 000 Euro im Jahr 2009 aus. Nach Abzug der Betriebskosten von mehr als der Hälfte der Einnahmen bleiben danach knapp 100 000 Euro beim Arzt hängen.

Die Ärzte, die in Essen demonstrierten, ließen sich von der Kritik nicht beeindrucken. Nach ihrem Treffen startete ein Autokorso in Richtung Niederlande – als Symbol für die Abwanderung deutscher Hausärzte ins Ausland.