Düsseldorf.

Die IG Metall will in den Tarifverhandlungen nach dem Krisenabschluss 2009 eine deutliche Erhöhung für die Mitarbeiter in der Stahlindustrie durchsetzen. Mit dem Ende der Krise ist es auch mit der Bescheidenheit der Gewerkschaften vorbei.

Die alte „Schluck aus der Pulle”-Rhetorik ist Oliver Burkhard fremd. Sie passt weder zum Alter des 38-jährigen Chefs der IG Metall in NRW noch zum leichten Weißen, den er stilecht aus dem Glas nippt. Burkhard liegt der Konter mehr als die Attacke und so nimmt er für die Tarifrunde der Stahlindustrie lieber eine Anleihe beim Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP): „Ein Aufschwung XL ist nicht mit einer Lohnerhöhung XS zu machen.”

Das Ende der Krise markiert zugleich das Ende der Bescheidenheit bei den Gewerkschaften. Nachdem sich mehrere Arbeiterführer für ein kräftiges Lohnplus ausgesprochen und damit den üblichen Schlagabtausch mit Arbeitgebern und Wirtschaftspolitikern wie Brüderle ausgelöst haben, bereitet die IG Metall ihre Tarifrunde in der Stahlindustrie vor, die Anfang September beginnt.

Forderung unter acht, aber deutlich über 4,5 Prozent

Der Pilotbezirk ist Nordwestdeutschland mit seinen 85 000 Beschäftigten, für den Burkhard verhandelt. Seine letzten Abschlüsse sorgten bun­desweit für Aufsehen: Zum Ende des vergangenen Aufschwungs 2008 holte er mit 5,2 Prozent das größte Lohnplus seit 15 Jahren heraus, im Krisenjahr 2009 gab er sich mit Nullrunde und Einmalzahlung zufrieden.

Diesmal will Burkhard „irgendwo dazwischen” landen, wie er vor Journalisten in Düsseldorf sagte. Entsprechend wird die Forderung unter acht, aber deutlich über 4,5 Prozent liegen. Nach der tarifpolitischen Arithmetik der hochgradig organisierten Stahlarbeiter dürfte dann ein Lohnplus zwischen drei und vier Prozent herauskommen.

Die schwerste Krise der Nachkriegszeit ist laut Burkhard vorbei, nun spricht er von der „Nachkrisenzeit”. Die Stahlindustrie erholt sich weit schneller als erwartet, sie hat die Kurzarbeit hinter sich gelassen, in der Produktion und bei Aufträgen laut Statistischem Bundesamt fast ihr Vorkrisenniveau erreicht. „An diesem Aufschwung müssen die Beschäftigten angemessen be­teiligt werden, gerade nach ih­ren empfindlichen Lohneinbußen durch die viele Kurzar­beit in der Krise”, sagt er.

Explodierende Rohstoffkosten für Eisenerz und Kohle

Dem werden die Arbeitgeber nicht gänzlich widersprechen, aber das Wörtchen „angemessen” anders interpretieren. Ihr Problem sind die seit Jahresbeginn explodierenden Rohstoffkosten für Eisenerz und Kohle. Die drei marktbeherrschenden Erzkonzerne aus Brasilien und Australien haben nicht nur die Preise verdoppelt, sondern auch die einjährige Preisbindung aufgekündigt. Sie können künftig viermal im Jahr erhöhen.

Gegen dieses globale Eisenerz-Oligopol machen Arbeitgeber und IG Metall gemeinsam Front. In den Tarifverhandlungen werden sie jedoch streiten, wie weit dies die Löhne beeinflusst. Für die Arbeitgeber sind die Erzpreise eine enorme Belastung. Burkhard weiß das, kontert aber, dass gerade deshalb die Lohnkosten kaum ins Gewicht fielen. Sie machten nur neun Prozent der Kosten aus, die Rohstoffe 77 Prozent, sagt er und rechnet vor: „Eine Lohnerhöhung um ein Prozent verteuert eine Tonne Stahl um 77 Cent.” Zum Vergleich: Wegen der gestiegenen Rohstoffpreise mussten die Produzenten in diesem Jahr rund 200 Euro je Tonne draufschlagen.

Als zweites Ziel will die IG Metall erreichen, dass Leiharbeiter in der Stahlindustrie die gleichen Löhne wie die Stammarbeiter erhalten. Man habe das lang genug gefordert, nun sei es an der Zeit, gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen. Darüber hinaus sollen Ältere die Möglichkeit erhalten, im Rahmen des Tarifvertrags „demografischer Wandel“ weniger zu arbeiten.