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Jan Secher, der neue Chef des Essener Unternehmens Ferrostaal, will die Aufklärung im Korruptionsskandal vorantreiben. Dazu ist auch ein internes „Amnestie-Programm“ für Mitarbeiter geplant.

Der „gelbe Saal“ der Essener Philharmonie ist ein Ort, wo sich Industriekapitäne wohlfühlen. Edles Zitronenholzfurnier verbreitet eine vornehme Atmosphäre. Durchsetzt ist die Holzverkleidung von feinen Stoffmalereien mit religiösen Motiven. Jan Se­cher, der neue Vorstandschef des Traditionskonzerns Ferrostaal, hat zu einem „Vorstellungstermin“ gebeten. Es ist sein erster öffentlicher Auftritt als Nachfolger von Matthias Mitscherlich, der vor drei Wo­chen im Zuge einer Korruptionsaffäre sein Büro räumen musste.

Die Staatsanwaltschaft Mün­chen vermutet, dass bei Ferrostaal über Jahre hinweg systematisch Schmiergelder bei Auslandsgeschäften ge­zahlt wurden. Die dubiosen Zahlungen sollen über Schein-Beraterverträge abgewickelt worden sein. Der Ruhrgebietskonzern gilt als Exportdrehscheibe der deutschen Industrie und macht seine Geschäfte unter anderem mit dem Bau von Küstenschiffen, U-Booten und Kraftwerken. Dem Unternehmen, das seit einem Jahr mehrheitlich einem Staatsfonds aus Abu Dhabi gehört, droht ein millionenschweres Bußgeld. Der schwedische Ma­nager Secher, dessen Na­me wie „Säcker“ ausgesprochen wird, soll nun die Aufklärung im Schmiergeldskandal vorantreiben.

Amnestie für Mitarbeiter

Ihm zur Seite steht ein Vorstandsmitglied, das eigens für die Bekämpfung von Korruption zuständig ist. Andreas Pohlmann, der zuvor Chefaufklärer beim Siemens-Konzern war, übernimmt diesen Job nun bei Ferrostaal. Pohlmann kündigte ein „Amnestie-Programm“ für die Beschäftigten von Ferrostaal an: Wer über „fragwürdige Verhaltensweisen der Vergangenheit“ be­richte, habe weder eine Kündigung noch eine Schadener­satzklage zu befürchten. „Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Wir können die Vergangenheit nur aufklären“, sagte Pohlmann.

Secher warb um Vertrauen. Er stellte sich mit einem festen Händedruck und einem kräftigen Lächeln vor, sagte Sätze wie: „Wir wollen nur unangreifbar saubere Geschäfte ma­chen.“ Für dubiose Ge­schäftspraktiken gelte bei ihm die Regel „null Toleranz“. Seine Rede las er von einem Zettel ab, die Fragen der Journalisten beantwortete er tadellos auf Deutsch.

Vor seiner Benennung zum Ferrostaal-Chef war der 52-jährige Manager, der zuletzt für den US-Finanzinvestor Apollo gearbeitet hatte, vergleichsweise unbekannt. Be­merkenswert sind einige schnelle und zum Teil unfreiwillige Wechsel in seiner Karriere. Auffällig große Erfahrung im Geschäft mit dem Bau komplexer Industrieanlagen hat er nicht.

240 Millionen Euro Geldbuße wegen Schmiergeldskandals?

Ob Ferrostaal ein Strategieschwenk verordnet wird, ließ Secher offen. Die neuen Eigentümer aus Abu Dhabi zeigten zuletzt vor allem Interesse an Großprojekten für die Energieindustrie. Die arabische In­vestmentgesellschaft IPIC hält derzeit 70 Prozent der Ferro­staal-Anteile, 30 Prozent gehören dem Münchner Maschinenbaukonzern MAN.

Ferrostaal-Aufsichtsratchef Georg Thoma räumte ein, dass IPIC von den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft stark irritiert sei. Zu den Gründen für die Entlassung des langjährigen Vorstandschefs Mitscherlich wollte sich Thoma nicht äußern.

Ursprünglich wollten die Araber Ferrostaal komplett übernehmen. Doch die Verkaufsgespräche wurden von der Korruptionsaffäre überschattet. Schließlich war Ferrostaal im Zuge des Schmiergeldskandals bei seiner früheren Muttergesellschaft MAN ins Visier der Ermittler geraten. Und die Münchener Staatsanwaltschaft fordert an­geblich rund 240 Millionen Euro als Buße für Schmiergeldgeschäfte. Der neue Ferrostaal-Vorstand Pohlmann betonte, das Unternehmen wolle „sehr, sehr kooperativ“ mit der Staatsanwaltschaft München umgehen.