Brüssel/Berlin. .
Die Ankündigung klingt wie eine Androhung: Europas Zentralbank ist nun doch bereit, die Notenpresse anzuwerfen, um durch Käufe von Staatsanleihen klammer Euro-Länder die spekulativ aufgeblähten Zinsen zu drücken.
Die ungewöhnliche Aktion der Europäischen Zentralbank (EZB) weckt das ungute Gefühl, die Währungshüter könnten es künftig nicht mehr so genau nehmen mit der Sicherung der Preisstabilität. Dass die EZB keine Angaben zum Volumen macht, verstärkt bei manchem Zaungast noch die Angst vor einer Inflation. Zumal die Schätzungen der Experten – je nachdem, ob man sich an amerikanischen oder britischen Vorbildern orientiert – von Summen zwischen 100 bis 600 Milliarden Euro reichen.
In der Tat ist mit einem stärkeren Preisauftrieb zu rechnen, wenn weitere Liquidität in den Markt gepumpt wird. Spannend ist jedoch die Frage, ob die Teuerung nur leicht anzieht – was angesichts einer aktuellen Inflationsrate von 1,5 Prozent kein Problem wäre. Oder ob sie durch die Decke schießt und große Probleme auslöst.
Vieles spricht dafür, dass es bei überschaubaren Preiserhöhungen bleibt. Denn erstens hat die Euro-Notenbank versprochen, ihre Käufe von Anleihen zu „sterilisieren“ – also mit Gegenmaßnahmen auszugleichen, so dass die Gesamtmenge an Geld nicht größer wird. Zweitens gibt es Anlass zur Hoffnung, dass die Zentralbank nicht viel Geld tatsächlich einsetzen, sondern nur damit drohen muss. Drittens ist Europas Wirtschaft in einer zähen Erholung, nicht in einem dynamischen Aufschwung. Dass Firmen große Chancen haben, von Kunden mehr Geld für Produkte zu verlangen, und Arbeiter spürbare Lohnerhöhungen durchsetzen können, ist mehr als fraglich – selbst wenn demnächst mehr Geld im Umlauf sein sollte.
Experten erstaunt die folgenschwere Kehrtwende der Europäischen Zentralbank. „Der Kauf von Anleihen ist ein Dammbruch“, sagt Professor Ansgar Belke von der Universität Duisburg/Essen. Denn gegen den Kauf zweitklassiger Wertpapiere sträubten sich die EZB-Währungshüter lange. Nun knicken sie unter dem Druck der Regierungen ein.
Für Laien klingt die Nachricht harmlos: Ab sofort kann die EZB Staatsanleihen gefährdeter Länder kaufen. Was nach solidarischer Hilfe klingt, hat gefährliche Nebenwirkungen. Denn praktisch finanziert die Notenbank so einen Teil dieser Staatsschulden, in dem sie für die schlechten Papiere gutes Geld gibt.
Experten fürchten, dass sich Länder mit Finanzproblemen weniger Mühe zur Lösung ihrer Probleme geben werden, da die EZB im Zweifel auf dem freien Markt ihre Schuldtitel erwirbt. Böse gesagt wirft die EZB die Notenpresse an, um die Anleihen zu bezahlen.
Bis vor kurzem lehnte die Zentralbank dieses Vorgehen rigoros ab; sie wollte den Ankauf griechischer Papiere nicht mal diskutieren. Den Sinneswandel erklären Experten mit dem Druck der Politik. Am Ende wollten nicht ausgerechnet die Euro-Hüter ihren Beitrag zur Rettung der europäischen Gemeinschaftswährung verweigern.
Die EZB betont, sie bleibe unabhängig. Ihre Unabhängigkeit wird vor allem in Deutschland geschätzt. Die Märkte werten den Schritt der Europäischen Zentralbank aber als Abkehr von der allein der Preisstabilität verpflichteten Geldpolitik.