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Ex-Manager Johan Stenebo räumt mit dem Sauber-Image des schwedischen Möbelriesen Ikea auf. In seinem jetzt erschienenen Buch wirft er der Ikea-Führung „Rassismus“ und „Frauen-Diskriminierung“ vor.
Schon als Fünfjähriger verkaufte Ingvar Kamprad Streichhölzer. Es waren die allerersten Anfänge des späteren Ikea-Imperiums. Das Bild vom bescheidenen und sympathischen Konzerngründer bringt nun aber einer ins Wanken, der 20 Jahre lang als Ikea-Manager ganz nah an Patriarch Kamprad dran war: Johan Stenebo.
„Die Wahrheit über Ikea“ hat der 49-Jährige sein Buch genannt, das im November 2009 bereits in Schweden, am Stammsitz des weltgrößten Möbelkonzerns, erschien und dort für mächtig Wirbel sorgte. Nun hat der Campus-Verlag auch eine deutsche Fassung herausgebracht. Immerhin ist Ikea in der Bundesrepublik an 45 Standorten vertreten und machte hierzulande im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatz von 3,34 Milliarden Euro. Weltweit waren es nach eigenen Angaben 21,5 Milliarden Euro in 267 Filialen.
Kein Aufruf zum Boykott
In seinem Buch packt Stenebo aus und beleuchtet die vermeintlich dunklen Seiten des Möbelriesen, der mit seinen Kunden auf Du ist, der Umweltschutz und Nachhaltigkeit propagiert und das gute Betriebsklima preist.
„Ich wollte einfach, dass die Leute wissen, was bei Ikea wirklich los ist“, sagte Stenebo im Gespräch mit dieser Zeitung. Er rufe nicht zu einem Boykott auf, sondern fordere die Kunden auf, ihren Einfluss geltend zu machen.
Kamprad lebt längst nicht mehr in Schweden
In seiner bislang einzigen Insider-Geschichte knöpft sich Stenebo in erster Linie seinen früheren Mentor vor: Der 84-jährige Ikea-Gründer Ingvar Kamprad lebt längst nicht mehr in Schweden. Mit einem vom Züricher Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ geschätzten Vermögen von knapp 24 Milliarden Euro gilt Kamprad als der reichste Schweizer. Das 30 Jahre alte Sofa, auf dem der Möbelkönig immer noch sitzen soll, entzaubert der Buchautor ebenso als Anekdote aus der Märchenwelt wie die U-Bahn-Fahrten, die der schwedische Geizhals der Luxuslimousine vorziehe. Stenebo: „Die Firma lässt sich besser steuern, wenn Kamprad sich selbst als asketischen und dümmlichen Greis darstellt.“
Einschätzungen. die die Ikea-Deutschland-Zentrale nicht kommentieren will. „Das ist die Sicht des Privatmanns Stenebo“, sagte Sprecherin Sabine Nold dieser Zeitung. Deutlicher wird sie indes, wenn es um die im Buch erhobenen Rassismus-Vorwürfe geht. Der Autor nennt Peter Kamprad, den Sohn des Ikea-Gründers, einen „inkompetenten Rassisten“. Auf der Führungsetage des Konzerns würden Ausländer oft abfällig als „Neger“ bezeichnet.
„Das ist nicht der Stil des Hauses“, entgegnet Ikea. Von den 14 000 Mitarbeitern in Deutschland, die aus 92 Nationen kämen, hätten 4,8 Prozent einen ausländischen Pass, 16 Prozent einen Migrationshintergrund. Vorwürfe, der Möbelriese bespitzele seine Angestellten, wende „Stasi-Methoden“ an und schicke Dossiers in die Schweiz, weist die Pressesprecherin mit einem „Nein“ zurück.
Handfester Streit mit dem Gründer-Sohn
Auch Stenebos Anschuldigung, im Reich des Billy-Regale würden Frauen diskriminiert, kontert Nold: Mit Petra Hesse stehe eine Frau an der Spitze von Ikea Deutschland. 47,5 Prozent der Führungskräfte seien weiblich. In das schwedische Machtzentrum. legt Stenebo nach, hätten es Frauen aber immer noch nicht geschafft.
Ist das Buch „Die Wahrheit über Ikea“ dann doch die persönliche Abrechnung eines Mannes, für den die Karriereleiter nach einem handfesten Streit mit Peter Kamprad im letzten Jahr nicht mehr nach oben führte? Stenebo streitet Rache als Motiv für sein Buch vehement ab. Neben ihm seien nur „drei bis fünf andere Personen“ dazu in der Lage, die „Wahrheit“ über Ikea aufzuschreiben. Er habe einfach den Mut dazu aufgebracht.