München.

In einem weiteren Prozess um Schmiergeldzahlungen beim Siemens-Konzern steht erstmals ein einst hochrangiger Manager vor Gericht. Der Ex-Vorstand räumte die Existenz schwarzer Kassen ein. Durch sein Geständnis bleibt ihm eine Haftstrafe erspart. Gericht und Anklage einigten sich auf einen „Deal“.

Zwei frühere Siemens-Manager sollen für ihr Geständnis mit Bewährungsstrafen davonkommen: Der einstige Finanzvorstand der Siemens-Telekommunikationssparte, Michael Kutschenreuter, und ein früherer Chefbuchhalter räumten am Montag vor dem Landgericht München die Einrichtung schwarzer Kassen für Schmiergeldzahlungen ein. Wie vor ihnen schon drei Angeklagte im Siemens-Schmiergeldskandal sollen deshalb auch ihre Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden, wie das Gericht nach Absprache mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung gleich zu Prozessbeginn ankündigte.





Kutschenreuter gestand, für „diskrete Zahlungen“ an ausländische Kunden und Amtsträger mehrere Millionen Euro auf Tarnkonten versteckt zu haben. Ein Mitarbeiter habe „zur Verschleierung von Schmiergeldzahlungen Beraterverträge mit zweifelhaftem Hintergrund“ abgeschlossen. Er habe ihm völlig freie Hand gelassen, sagte Kutschenreuter.

Scheinrechnungen und Briefkastenfirmen

Für das Geständnis ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage wegen Beihilfe zur Bestechung fallen, und die Wirtschaftsstrafkammer kündigte eine zweijährige Bewährungsstrafe und 160.000 Euro Geldstrafe wegen Untreue für den Ex-Finanzvorstand an. Kutschenreuters früherer Chefbuchhalter soll ebenfalls nur wegen Untreue zu 18 Monaten auf Bewährung und 40.000 Euro Strafe verurteilt werden. Verkündet werden soll das Urteil schon am dritten Prozesstag am Dienstag nächster Woche.

Kutschenreuter ist bislang der höchste ehemalige Siemens-Manager, der wegen des 2006 aufgedeckten größten Schmiergeldskandals der deutschen Wirtschaft vor Gericht steht. Drei seiner Mitarbeiter wurden bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt. Gegen den früheren Bereichschef und Siemens-Zentralvorstand Thomas Ganswindt hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.

Manager entschuldigt sich

Der heute in Dubai lebende Kutschenreuter entschuldigte sich in seinem Geständnis für den Schaden, den er dem Siemens-Konzern und seinen Mitarbeitern zugefügt habe. Mit den schwarzen Kassen habe er Aufträge für die krisengeschüttelte Telefonnetz-Sparte an Land ziehen und Arbeitsplätze sichern wollen, obwohl der Bundestag 1998 Bestechung auch im Ausland unter Strafe gestellt hatte. Wer wann wie viel Geld bekam, habe ihn nicht gekümmert. Er sei überzeugt gewesen, im Interesse von Siemens zu handeln, sagte der 55-jährige Manager.

Die Anklage listete Zahlungen über 55 Millionen Euro auf, die der von Kutschenreuter beauftragte Prokurist mit Hilfe von Beraterverträgen, Scheinrechnungen und Briefkastenfirmen in schwarze Kassen fließen ließ. Kutschenreuter gestand, dass er dem bereits 2008 auf Bewährung verurteilten Prokuristen freie Hand beim Aufbau eines noch besser kaschierten Systems ab 2001 gelassen habe. Dass auch ausländische Amtsträger und Kundenmitarbeiter geschmiert wurden, habe er gewusst und unterstützt.

Bestechungsvorwurf in Nigeria und Russland gestrichen

Im Gegenzug für das Geständnis der beiden Angeklagten ließ die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Beihilfe zur Bestechung nigerianischer Minister und russischer Telefon-Direktoren mit Millionenbeträgen fallen.

Kutschenreuters Anwälte sagten, ihr Mandant habe die gängige Praxis nach 1998 aus falsch verstandener Loyalität weitergeführt. Der Siemens-Zentralvorstand habe nicht genug getan, um das Rechtsbewusstsein nach der Gesetzesänderung zu schärfen.

Die Affäre hat Siemens 2,5 Milliarden Euro gekostet. Die früheren Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld sowie weitere Topmanager zahlten dem Konzern fast 20 Millionen Euro Schadenersatz. Ganswindt wurde von Siemens auf weitere fünf Millionen Euro verklagt. (apn)