Bönen/Düsseldorf.

Deutschlands größter Textildiscounter Kik gerät erneut ins Zwielicht. Das Unternehmen hat jahrelang die Vermögensverhältnisse von Mitarbeitern ausgeforscht. Nun packt ein langjähriger Kik-Manager aus.

Die Vorwürfe gegen Kik kamen bereits im Oktober vergangenen Jahres ans Licht und hatten für Empörung bei Datenschützern gesorgt. Nun packt ein langjähriger Kik-Manager aus.

Der einstige Kik-Bezirksleiter, dem bis zu 15 Filialen und über 100 Mitarbeiter unterstanden, schildert im ARD-Magazin „Panorama“, wie er die Praktiken des Unternehmens erlebt hat. Ziel sei es gewesen, Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu drängen, wenn sie in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckten. So seien systematisch Informationen über die Auskunftei Creditreform eingeholt worden. Er selbst, so der Kronzeuge, habe sich auf Anweisung von oben aufgrund von Negativauskünften von Mitarbeitern trennen müssen oder ihre Verträge nicht verlängern dürfen.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte bereits im vergangenen Jahr Ermittlungen eingeleitet, das Verfahren allerdings im März eingestellt. Es habe keine Beweise gegeben, dass Kik die Daten „in Schädigungsabsicht abgerufen“ habe, hieß es zur Begründung. Eine solche Schädigungsabsicht ist allerdings juristisch das zentrale Merkmal für die Strafbarkeit.

Mitarbeiter mussten bei Offenbarungseid gehen

Nach Einschätzung von „Panorama“ könnte sich die Beweislage durch die neuen Aussagen nun ändern. „Wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit auftauchen, können wir ein Ermittlungsverfahren wieder aufnehmen“, sagte Oberstaatsanwältin Ina Holznagel auf Anfrage dieser Zeitung. „Ob das der Fall ist, wird sich zeigen.“

Der ehemalige Bezirksleiter schildert in „Panorama“, dass Kik sich von jedem Mitarbeiter trennte, der eine „Eidesstattliche Versicherung“ (Offenbarungseid) hatte. „Diese Anweisung gab es schriftlich aus der Zentrale.“ Hätte man als Bezirksleiter die Anordnung nicht befolgt, sei man darauf hingewiesen worden, dass man für mögliches Fehlverhalten der betreffenden Mitarbeiter haften müsste.

49 000 Überprüfungen

„Man kann nicht für hundert Menschen selbst bürgen. Damit habe ich dann eben diese Kündigungen aussprechen müssen“, sagte der Kronzeuge. Meistens habe er während der Probezeit gekündigt oder be­fristete Arbeitsverhältnisse aus­laufen lassen. Problematisch sei es auch gewesen, Mitarbeitern zu kündigen, die bereits im Kündigungsschutz waren. „Es war immer so, dass man sich dann irgendetwas aus den Fingern saugen musste.“ Viele Mitarbeiterinnen hätten geweint, „weil sie gar nicht wussten, was los ist.“ Es sei von der Kik-Führung verboten worden, den Betroffenen den wahren Grund für die Trennung zu sagen.

Kik („Kunde ist König“) teilte gegenüber der ARD mit, man arbeite seit Oktober 2009 nicht mehr mit Creditreform oder anderen Wirtschaftsauskunfteien zusammen. Das „angeführte Verfahren“ werde bei Kik „nicht mehr praktiziert“.

Das Tochterunternehmen der Mülheimer Tengelmann-Gruppe war auch ins Visier des Landesdatenschutzbeauftragten geraten. Der Behörde missfiel es, dass die Beschäftigten praktisch „unter Generalverdacht“ gestellt worden seien. Schließlich hatte Creditreform bestätigt, dass es „49 000 Fälle von Bonitätsprüfung im Auftrag von Kik” gab.

Ging es darum, verschuldete Mitarbeiter von der Firmenkasse fern zu halten? Ein Unternehmen dürfe jedenfalls nicht unterstellen, dass jeder Mitarbeiter, der Schulden habe, ein potenzieller Straftäter sei, so die NRW-Datenschützer.

„Wir halten das Verfahren für nicht rechtmäßig“, sagte ein Behördensprecher am Donnerstag. Allerdings sei auf ein Bußgeld verzichtet worden, da Kik die Praxis beendet habe und die Beweislage schwierig sei.