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Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Experten sprechen von einer Kehrtwende. Auch in den Revierstädten sind mehr Lehrstellen unbesetzt als im vergangenen Jahr.

„Die Chancen für Schulabgänger sind groß und besser als im letzten Jahr“, sagt Alexander Konrad von der Handwerkskammer Düsseldorf, die für den gesamten Regierungsbezirk zuständig ist. Das Handwerk ist mit der In­dustrie traditionell der Ausbildungsmotor. Zahlen über die zur Verfügung gestellten Lehrstellen gibt es En­de Juli. Konrad ist optimistisch: „Wir werden wieder 9000 erreichen.“

Sabine Mayer, Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer NRW, geht ei­nen Schritt weiter: „Die Kehrtwende ist eingetreten. Die Jugendlichen können sich wieder Stellen aussuchen.“ Besonders groß sei das Angebot in Büro- und Dienstleistungsberufen, aber auch bei Industriemechanikern. 30 bis 40 Prozent der Bewerber seien bereits versorgt.

Mehr Ausbildungsplätze

Die Gesamtsicht auf Land und Branchen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA). Zwar meldet längst nicht jeder Arbeitgeber seine Stellen bei der Regionalstelle Düsseldorf, und viele Jugendliche suchen auf eigene Faust – ein Trend ist aber ablesbar: Für Mai vermeldete die BA für NRW insgesamt 114 770 Bewerber und 79 930 Ausbildungsplätze in Wirtschaft und Verwaltung. Damit bemüht sich im Jahresvergleich eine konstante Zahl von Schulabgängern um ein um sechs Prozent gewachsenes Lehrstellen-Angebot.

Dass die Kluft zwischen Nachfrage und An­gebot in den Vorjahren größer war, zeigen weitere Zahlen. Von den 54 310 Jugendlichen, die derzeit als „unversorgt“ gelten, hat jeder zweite auch schon im Vorjahr einen Ausbildungsplatz gesucht. Ihnen stehen aktuell 34 440 Lehrstellen zur Verfügung, die für 2010 noch nicht vergeben wurden – querbeet. BA-Sprecher Werner Marquis rät allen suchenden Jugendlichen, sich vor allem Fertigungsberufe anzuschauen: „Hier gibt es nicht unbedingt viele Stellen, aber wenige Bewerber“, meint der Experte.

Wenig bekannte Berufe

Darunter sind Jobs, die weithin unbekannt sind – Keramiker oder Schleifer. „Bei diesen Berufen hat sich das Image gewandelt“, sagt Marquis. Da­runter sind aber auch Tätigkeiten, die „nicht sexy“ seien, aber Perspektiven böten – so der Straßen- und Tiefbauer. Mit Image-Problemen, sagt der BA-Sprecher, kämpften auch Landmaschinen-Mechaniker, obwohl der Beruf sehr dem des beliebten Kfz-Mechanikers äh­­nele. „Als Landmaschinen-Mechaniker läuft man eben nicht mehr mit Gummistiefeln durch den Schlamm.“

Erfahrungen, die auch das Handwerk macht. In den Be­reichen Gebäudereiniger, Ge­rüstbauer und Dachdecker blei­ben Jahr für Jahr etliche Ausbildungsplätze unbesetzt. Bei Bäckern schreckt nicht die Tätigkeit, sondern das Aufstehen mitten in der Nacht ab. Nicht gerade beliebt ist auch die Ausbildung zum Fleischer. Und so rät Marquis allen Be­werbern, sich das gesamte Spektrum der Ausbildungsberufe vorbehaltlos anzuschauen. „Jeder sollte eine Palette von möglichen Berufen im Kopf haben und sich darauf einstellen, dass man nicht un­bedingt das bekommt, was man anfangs wollte.“ Zur nötigen Flexibilität komme die Mo­bilität hinzu. Eine Lehrstelle finde man nicht unbedingt in der Heimatstadt.

Über den Tellerrand blicken

Marquis rät Jugendlichen, sich auch in Oberzentren wie Köln und Düsseldorf umzuschauen: „Sie bilden für das Umland mit aus.“ Er wirbt dafür, über den Tellerrand zu blicken: „Das Ruhrgebiet ist doch gut mit dem Nahverkehr erschlossen.“ Pendelnde Azubis erhielten zudem finanzielle Beihilfen von der BA.

Da lohnt auch ein Blick in die Revierstädte. Dort waren im Mai deutlich mehr Lehrstellen unbesetzt als vor einem Jahr. Im Agenturbezirk Bo­chum sind 1161 Stellen offen, in Dortmund 1735, in Duisburg 1424, in Essen 1200, in Gelsenkirchen 860, in Oberhausen 775, in Recklinghausen 969 oder in Wesel 1159.