Essen. .
Da der Essener Stromkonzern RWE Nachzahlungen für 2008 verlangt, probt ein Mittelständler den Aufstand. Der Fall landet nun vor Gericht.
Dietmar Polster räumt ein, dass es ihm auch darum geht, ein Zeichen zu setzen. Er sieht sich als Sprachrohr von vielen kleineren Mittelständlern, die über hohe Strompreise stöhnen. Polster wiederum ist Vorstandsmitglied des Berliner Energiedienstleisters Ampere, der seinen bundesweit etwa 14 000 Kunden Einkaufsvorteile bei den Strom- und Gasversorgern verschaffen will. Nun sucht Ampere den Konflikt mit einem Branchenriesen – „im Sinne unserer Kunden“, wie Polster sagt. Ein bisschen Marketing in eigener Sache dürfte allerdings auch dabei sein.
Beim zuständigen Amtsgericht Dortmund hat die Ampere AG im Namen ihres Kunden Harlekin eine Musterklage gegen den RWE-Konzern eingereicht. Abrechnungen des Energieversorgers seien „systematisch falsch“, sagt Polster.
Es geht um Nachzahlungen, die RWE von seinen mittelständischen Kunden verlangt. Die deutschen Stromkonzerne reichen die Kosten, die durch Sonnen-, Wind- und Bioenergie entstehen, an die Verbraucher weiter. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) berechtigt sie dazu. Die genaue Abrechnung erfolgt erst zeitverzögert, wenn die exakte Menge des erzeugten Ökostroms bekannt ist.
Kürzlich also bekam die Firma Harlekin aus Waldbrunn, die ihr Geld mit Spielautomaten verdient, Post aus dem Hause RWE. Das Unternehmen Harlekin ist nur einer von mehreren hundert Mittelständlern, die vom Energiekonzern zur Kasse gebeten wurden. „Bei uns liegen knapp 100 Fälle auf dem Tisch“, sagt Polster. Es handele sich um Betriebe wie den Autozulieferer Borgers in Berlin oder den Farbenhersteller Brillux. Neben Industrie und Gewerbe seien auch öffentliche Einrichtungen wie Pflegeheime betroffen.
Der Streit zwischen Ampere und RWE entzündet sich an den Rechnungen für das Jahr 2008. Für diese verlangt der Energieversorger bei seinen Kunden Nachzahlungen in Millionenhöhe. Ampere argumentiert nun, die Forderungen von RWE seien zu spät bei den Verbrauchern angekommen. „RWE hat die gesetzliche Frist verschlafen“, sagt Polster. Die vorgesehene Frist zur Abrechnung sei bereits zum 30. November 2009 ausgelaufen.
RWE gibt sich gleichwohl gelassen. „Wir gehen nicht davon aus, dass die Klage Aussicht auf Erfolg hat“, sagt RWE-Sprecherin Annett Urbaczka. Die Frist, auf die sich Ampere berufe, sei schließlich erst im Jahr 2009 eingeführt worden. Die Schlussfolgerung von RWE lautet: „Eine Frist, die 2009 eingeführt wurde, kann nicht auf Stromrechnungen für 2008 angewendet werden.“
Doch auch Ampere-Vorstandsmitglied Polster blickt selbstbewusst auf den sich abzeichnenden Termin vor Gericht. Aus seiner Sicht wäre eine Entscheidung in dem Musterverfahren auf alle anderen ähnlichen Fälle übertragbar. Möglich wäre, dass sich Ampere und RWE in einem Vergleich einigen. „Dieser müsste dann allerdings für alle Kunden gelten“, findet Polster. Ihm geht es ums Grundsätzliche, nicht allein um den Fall Harlekin. Hier beläuft sich die Forderung von RWE auf „ein paar hundert Euro“.