Essen.
In der Diskussion um die Schweizer Steuer-CD melden einzelne Finanzbehörden in NRW erste Selbstanzeigen von mutmaßlichen Steuersündern. Das Finanzministerium erwartet zunehmende Zahlen. Steuerfahnder raten zu schriftlichen Eingaben - am Telefon läuft man rasch ins Leere.
Wer als potentieller Steuersünder in diesen Tagen beim örtlichen Finanzamt eine Selbstanzeige am Telefon stellen will, findet zumindest in Essen-Süd viele Wege, es sich noch mal anders zu überlegen. Mehrere Warteschleifen, die Telefonvermittlung mit einem Computerproblem („Der Apparat spinnt grade“), dann doch ein längeres Tuten in der Leitung, am Ende die Bandansage eines Mitarbeiters: „Ich bin nicht in meinem Büro erreichbar“.
Der Wirbel um den Ankauf einer Schweizer Steuer-CD mit Daten deutscher Kontoinhaber hat jedenfalls noch nicht dazu geführt, dass die Finanzbehörden eine Steuersünder-Hotline einrichten. Gleichwohl wird allgemein erwartet, dass jetzt mehr Geldanleger kalte Füße bekommen als in der Vergangenheit. Zumal jüngste Berichte darauf hindeuten, dass die Kontodaten-CD, die die Wuppertaler Steuerfahndung im Auftrag von NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) aufkaufen soll, Daten mehrerer Schweizer Banken beinhalten soll.
Vier Selbstanzeigen in Siegen, sechs in Olpe
Bisher trudeln nur einzelne Zahlen ein: Im Siegener Finanzamt hätten bis dato vier Steuersünder Selbstanzeige gestellt, im Finanzamt Olpe hätten bisher sechs potentielle Steuersünder eine vorläufige Selbstanzeige erstattet – allesamt seien von Steuerberatern formuliert, teilte ein Behördenmitarbeiter jüngst mit. Auch in anderen Behörden heißt es, es gebe erste Selbstanzeigen. Details werden aber nicht genannt. Insgesamt gibt es 108 Finanzämter in NRW.
„Die Medienberichte werden einige Menschen zum Nachdenken bringen“, meint ein Mitarbeiter eines der zehn „Strafsachen-Finanzämter“ in NRW, in denen die Steuerstrafermittlungen konzentriert sind. Selbstanzeigen sollten aber schriftlich den Behörden zugestellt werden, nicht am Telefon, rät er: „Da weiß man ja nicht, ob die Angaben wirklich stimmen oder sich jemand nur einen Scherz erlaubt.“
Wer sich selbst bezichtigt, bleibt ohne Strafe
Der Weg zu den Behörden soll aber offenbar einfacher werden, heißt es in Kreisen der Finanzbehörden. So werde derzeit diskutiert, ob Selbstanzeigen künftig bei jeder Behörde abgegeben werden können, also auch beim Zoll, der Stadtverwaltung oder der NRW-Staatskanzlei. In jedem Fall schütze eine Selbstanzeige vor einer Strafverurteilung – vorausgesetzt die Steuern samt Hinterziehungszinsen werden nachgezahlt.
Definitiv zu spät Reue zu zeigen ist es, wenn die Steuerfahndung vor der Tür steht, erklärt Hans-Ulrich Liebern, Steuerexperte beim Bund der Steuerzahler NRW. Dann greift eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Dezember 2008, die eine scharfe Linie gegenüber Steuersündern vorgibt. Liebern: „Ab einer Summe von einer Million Euro reicht eine Geldauflage nicht mehr aus, dann steht eine Strafandrohung im Raum“ – mit Freiheitsstrafen ohne Bewährung.
Ohnehin wird die Luft für Steuersünder dünner, erklärt Liebern: Die Finanzbehörden stellten ihre Arbeit zunehmend auf ein „risikooptimiertes Finanzmanagement“ um. Ergebnis: Leichte Fälle werden rasch abgearbeitet, wer in seiner Steuererklärung zum Beispiel auffallend hohe Kapital-Erträge hat oder verschiedene Konten besitzt, „wird dagegen genauer angeschaut“.
Verjährung nach zehn Jahren
Hinzu kommt, dass es „in Europa in naher Zukunft keine Möglichkeit mehr geben wird, unerkannt Geld ins EU-Ausland zu bringen“, sagt Liebern. Während die hiesigen Finanzbehörden schon längst durch den EU-Zins-Informationsaustausch Kontobewegungen auch ins EU-Ausland verfolgen könnten, sind Abkommen mit den bisherigen Steuerflucht-Oasen Schweiz und Liechtenstein in Vorbereitung.
Schwere Zeiten in Sachen Steuerflucht deuten sich laut Liebern auch für Betriebe an: „Ab 2011 kommt die elektronische Steuererklärung.“ Dann bekämen die Finanzbehörden einen besseren Einblick in die Buchführung. Damit gebe es Grund genug, dass manche Steuersünder jetzt schlechter schlafen, meint Liebern. Besser schlafen kann man nur, wenn sich Vergehen bereits in den 1990er Jahren abgespielt haben oder früher. Liebern: „Steuerdelikte sind nach zehn Jahren verjährt.“