Frankfurt am Main. .

Alle 17 deutschen Atomkraftwerke sollen vorerst weiterlaufen. Darauf hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit Energieversorgern geeinigt. Damit sind die konkreten Ausstiegspläne erstmal auf Eis.

Trotz konkreter Ausstiegspläne sollen alle 17 deutschen Atomkraftwerke zunächst weiterlaufen. Darauf habe sich die Bundesregierung bei einem Treffen mit den Energieversorgern im Kanzleramt festgelegt, berichtet «Der Spiegel». Betroffen ist somit auch der Uraltmeiler Biblis A, der nach dem rot-grünen Atomkonsens im Sommer vom Netz hätte gehen sollen. Laut der hessischen Umweltministerin Silke Lautenschläger könnte das Kraftwerk sogar noch mindestens zehn Jahre lang Strom liefern.

Die Regelung soll laut «Spiegel» gelten, bis sich die schwarz-gelbe Regierung sich auf ein neues Energiekonzept verständigt habe. Dieses dürfte bis Oktober vorliegen. Über das Vorhaben der Regierung, die Atomlaufzeiten generell zu verlängern, werde erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai entschieden. Um die Kraftwerke weiterlaufen zu lassen, sollen nicht verbrauchte Stromkontingente von anderen Anlagen auf die Reaktoren Neckarwestheim und Biblis übertragen werden dürfen.

Zehn Jahre noch Biblis A

Die Bundesregierung erklärte, in der Sitzung der Monitoring-Gruppe am Donnerstag sei über die im Koalitionsvertrag vorgesehene Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken nicht verhandelt und nicht entschieden worden. Bereits nach geltendem Recht könnten Reststrommengen unter bestimmten Bedingungen übertragen werden, ohne dass es der Genehmigung der Bundesregierung bedürfe. Eine derartige Verständigung liege in der Entscheidung der Betreiber.

Bei Biblis A in Hessen kann sich Umweltministerin Lautenschläger sogar vorstellen, dass das Kraftwerk noch mindestens zehn Jahre lang Strom liefert. «Das ist vorstellbar», sagte die CDU-Politikerin der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (Rhein-Main-Ausgabe). Voraussetzung sei allerdings, dass der älteste noch genutzte Atomreaktor Deutschlands künftigen verschärften Sicherheitsstandards genüge.

Brüderle lehnt unbefristete Laufzeitverlängerung ab

Eine unbefristete Verlängerung der Laufzeiten auch sicherer Kernkraftwerke lehnt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) jedoch ab. «Wir brauchen einen Endzeitpunkt, denn unser Ziel ist, mit den Kernkraftwerken als Brückentechnologie so schnell wie möglich in das Zeitalter der regenerativen Energien zu gelangen», sagte Brüderle der «Rheinischen Post».

Wie Lautenschläger betonte der FDP-Politiker, dass mehr als 50 Prozent der Zusatzgewinne dem Staat zur Verfügung gestellt werden müssten. «Wichtig ist, dass die Konzerne mindestens die Hälfte der Zusatzgewinne abgeben müssen, die dann für die erneuerbaren Energien verwendet werden», wird er zitiert.

Massive Kritik von SPD und Grünen

SPD und Grüne liefen derweil Sturm gegen die Festlegung der Bundesregierung, sämtliche Atomkraftwerke zunächst unbegrenzt weiter laufen zu lassen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach von «blinder Lobbypolitik» und erklärte: «Wer uralte Pannen-Meiler wie Biblis A unbegrenzt am Netz lässt, setzt die Profite der Atomindustrie über die Sicherheit der Bevölkerung.»

Grünen-Chefin Claudia Roth warnte vor «hochgefährlichen Schrottreaktoren» und erklärte, die Sicherheit der Bürger kümmere Schwarz-Gelb überhaupt nicht, «die Profitinteressen der Energiekonzerne dafür umso mehr».

Roth monierte, das Argument der vermeintlichen «Brückentechnologie» werde nun endgültig ad absurdum geführt, «da die Schrott-Akw für die Stromproduktion hierzulande überhaupt nicht mehr gebraucht werden». Damit kündige die Bundesregierung «auch die Befriedung eines gesellschaftlichen Großkonflikts auf und wird sich auf massiven Widerstand von der Straße gefasst machen müssen». (apn)