Leverkusen.
Marijn Dekkers ist der Neue von Bayer. Der 52-jährige, der seine ersten 27 Jahre im niederländischen Tilburg und Nijmegen zubrachte, zeichnet von sich das Bild des Lernenden. Im Moment führt er ziemlich viele Kennenlern-Gespräche.
Es gibt sicherlich Manager aus dem Oberhaus der deutschen Wirtschaft, die ihren ersten Auftritt vor Vertretern der Öffentlichkeit weniger souverän absolvieren als Marijn Dekkers.
Zumal viele der anwesenden Journalisten Dekkers wenige Monate zuvor nicht als hoffnungsvolle neue Führungskraft für den traditionsreichen Leverkusener Bayer-Konzern begrüßten, sondern als „Kulturschock”.
Ein amerikanisch sozialisierter Top-Manager mit beeindruckendem Lebenslauf, noch dazu mit Sanierungserfahrung – so ein Bayer-Außenseiter soll das Urgestein Werner Wenning ersetzen? Was für ein Kulturschock!
Dekkers allerdings schockt nicht, ganz und gar nicht. Der 52-jährige, der seine ersten 27 Jahre im niederländischen Tilburg und Nijmegen zubrachte, zeichnet von sich das Bild des Lernenden. Nach dem Studium der technischen Chemie habe er in New York bei General Electric (GE) als einer von 2000 Forschern angefangen. 1985 war das, also in einer Zeit, in der „der legendäre Manager Jack Welch” den Riesenmischkonzern umbaute. Zehn Jahre war Dekkers bei GE, und die hätten ihm „das Gefühl dafür gegeben, wie große Unternehmen ticken”.
Dekkers freut sich auf Fußball
Sodann ging er zu Allied Signal, das Honeywell kaufte und fortan so hieß. Dort habe er „das Glück gehabt“, direkt an den Chef Larry Bossidy, ebenfalls ein gekrönter US-Manager, zu berichten. „Da konnte ich den Akquisitionsprozess verfolgen.” Zuletzt arbeitete er als Boss des Labor-Technik-Herstellers von Thermo Fisher Scientific. Hier war er derjenige, der umbaute und umstrukturierte. Und dort verdiente er in fünf Jahren 105 Millionen Dollar, was ihn zu der Bemerkung verleitet, wegen des Geldverdienens komme er nicht zu Bayer, sondern wegen der Aufgabe. „Ich habe einige finanziell erfolgreiche Jahre hinter mir.“ Jetzt also Bayer. Neun Monate ist er wieder Lernender, so lange führt Wenning noch den Konzern und arbeitet Dekkers ein; am kommenden Sonntag auch in die Bundesliga beim Spiel gegen Freiburg. Auf Fußball, sagt Dekkers, freue er sich sehr. Vor allem freilich freue er sich auf die Herausforderung bei Bayer, die er darin sieht, die Produkt-Pipeline des „sehr gut aufgestellten“ Chemie- und Pharmakonzerns auf derzeitigem Niveau zu halten. „Ich weiß, wie schwierig das ist, von einer Idee zu einem Produkt zu kommen.”
Die Umsetzung sei im Übrigen eine Managementqualität, die sich Europäer durchaus bei Amerikanern abschauen könnten. „Amerikaner sind gut darin, Ideen umzusetzen in Erfolg, Europäer sind gut in der Analyse.” Er, der einen niederländischen und amerikanischen Pass hat, sehe sich selbst mehr als „europäischen Amerikaner denn als amerikanischen Europäer.“
Und vor dem rheinischen Kapitalismus scheint ihm auch nicht bange zu sein. Politiker kennen zu müssen – das sei überall auf der Welt so.
Auch in Boston, bei seinem letzten Arbeitgeber, habe er die Kontakte gepflegt. „Werner Wenning ist schon ganz begeistert, mich allen vorzustellen.” 14 Tage ist Dekkers nun in Leverkusen an Bord und führt jede Menge Kennenlern-Gespräche. Aber nicht nur. „Das schwierigste ist vielleicht die Einrichtung des Hauses.“ Das steht in Düsseldorf-Kaiserswerth, wohin in einigen Monaten die Frau, eine Amerikanerin, und die drei Töchter (zwölf, 10, 10) nachziehen. Der internationalen Schule in Kaiserswerth wegen. Ein Kulturschock?
Im August seien sie zum Urlaub dort gewesen, zwei Schwestern leben in Nijmegen, ein Düsseldorf-Monopoly haben sie zu Hause und eine Liste der lebenswertesten Städte, auf der Boston Platz 18 einnahm und Düsseldorf Platz acht. Es scheint, als würde er sich schnell zurechtfinden im Rheinland. Zumal er während des Studiums Rot-Weiß Emmerich als Tennis-Profi in die Oberliga verhalf. Ein neuer Chef von außen. „Das könnte was werden“, meint einer der Skeptiker nach dem Gespräch. „Wenn ihn nicht die konservativen Strukturen bei Bayer schleifen.“