Bonn.

Das Bundeskartellamt verdächtigt elf deutsche Handelsketten, verbotene Preisabsprachen getroffen zu haben. Bei einer Großrazzia wurden mehrere Geschäftsräume durchsucht. Die bisherigen Erkenntnisse lassen auf eine noch größere Dimension des Skandals schließen.

Große deutsche Einzelhandelskonzerne wie Edeka, Rewe und Lidl stehen im Verdacht, Millionen Verbraucher durch verbotene Preisabsprachen geschädigt zu haben. Das Bundeskartellamt durchsuchte deshalb am Donnerstag in einer bundesweiten Razzia Geschäftsräume von elf deutschen Handelsketten und vier Markenartikelherstellern. Es bestehe der Verdacht verbotener Preisabsprachen bei Süßwaren, Kaffee und Tiernahrung, teilte die Wettbewerbsbehörde mit. Verbraucherschützer forderten bereits Entschädigungen für betrogene Konsumenten.

Insgesamt beteiligten sich an der bundesweiten Großrazzia 56 Mitarbeiter des Bundeskartellamtes und 62 Polizeibeamte. Betroffen waren neben Edeka, Rewe und Lidl unter anderen auch Deutschlands größter Handelskonzern Metro, die Drogeriemarktkette Rossmann und der Schokoriegelhersteller Mars. Das bestätigten Unternehmenssprecher der Nachrichtenagentur DAPD. Parallel wurden nach Angaben des Kartellamtes außerdem schriftliche Verfahren gegen neun weitere Unternehmen eingeleitet.

Absprache von Preisuntergrenzen

Der Verdacht der Behörde: Die Markenartikelhersteller sollen sich mit den Händlern über die Gestaltung der Endverbraucherpreise abgestimmt haben. Konkret gehe es etwa um die Absprache von Preisuntergrenzen für bestimmte Markenartikel, hieß es in informierten Kreisen. Dies wäre der Wettbewerbsbehörde zufolge ebenso verboten wie etwa Herstellerkartelle und könnte mit hohen Geldbußen geahndet werden.

Die Affäre könnte sogar noch deutlich größere Ausmaße annehmen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Untersuchung aufgrund der bei den Durchsuchungen gewonnenen Erkenntnisse auch noch auf andere Produktbereiche und weitere Unternehmen ausgedehnt werden könnte, hieß es in informierten Kreisen.

„Wir sind sehr gelassen“

Bei den Ermittlungen rechnet das Kartellamt offenbar mit der Kooperation einiger Marktteilnehmer. Die Behörde kündigte an, sie werde bei Geldbußen berücksichtigen, inwieweit Unternehmen oder Personen bei der Aufklärung der Vorwürfe mit dem Kartellamt zusammengearbeitet hätten.

Edeka-Sprecherin Marliese Kalthoff betonte: «Wir arbeiten in vollem Umfang mit dem Kartellamt zusammen.» Auch Metro und Mars sicherten den Wettbewerbshütern ihre Kooperationsbereitschaft zu. Rewe, Lidl und Kaufland bestätigte lediglich die Durchsuchung. Rossmann-Sprecher Stephan Klose betonte: «Wir sind sehr gelassen.»

Verbraucherschützer wollen Entschädigung für Konsumenten

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) verlangte, die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass betrogene Konsumenten entschädigt würden. Außerdem müssten die Unrechtsgewinne in vollem Umfang abgeschöpft werden. «Bußgelder in Millionenhöhe klingen erst einmal viel, wenn allerdings Milliarden zu Unrecht erwirtschaftet wurden, sind dies Peanuts ohne Abschreckungseffekt», meinte vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte im Gespräch mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung», sollten tatsächlich illegale Absprachen vorliegen, müsse geprüft werden, inwieweit etwaige Kartellstrafen dem Verbraucherschutz zugute kommen könnten. «Es darf nicht sein, dass am Ende der Kunde die Zeche zahlt für solche Machenschaften», zitierte die Zeitung die Ministerin.

Das Bundeskartellamt hatte erst vor wenigen Wochen gegen die drei großen Kaffeeröster Tchibo, Melitta und Dallmayr sowie sechs Mitarbeiter wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen Geldbußen von zusammen 159,5 Millionen Euro verhängt. (apn)