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Die Panne mit 30 Millionen fehlerhaft programmierten EC-Chip-Karten schlägt weiter hohe Wellen. Während die Bankkunden trotz der defekten Chips durch die Wiederbelebung der alten Magnetstreifen-Technik ihre EC-Karten im Inland wieder benutzen können, tobt hinter den Kulissen ein millionenschwerer Kampf um Geheimzahlen, Bankgebühren, Unterschriften und Handelspreise. Dieser Konflikt um die Zukunft des Plastikgelds in Deutschland könnte durch den Karten-Crash deutlich beeinflusst werden.
Im Mittelpunkt steht dabei das elektronische Lastschriftverfahren (ELV). Während Banken und Sparkassen noch ihre Wunden lecken, wittert der deutsche Einzelhandel Morgenluft. Viele Händler sehen das von ihnen geliebte ELV im Aufwind. Denn dieses System hat den Wechsel ins Jahr 2010 ohne Probleme gemeistert. Chips spielen dabei keine Rolle. Der Kunde zahlt vielmehr allein mit der EC-Karte und seiner Unterschrift. Zum Drucken des entsprechenden Belegs, den der Kunde quittiert, werden nur Kontonummer und Bankleitzahl vom Magnetstreifen der EC-Karte gelesen.
Ein Beispiel für „Datensparsamkeit“ nennt das Ulrich Binnebößel, Karten-Experte beim Handelsverband Deutschland (HDE). Vor allem aber habe das Lastschriftverfahren während der Crash-Tage eindrucksvoll bewiesen, dass es ein ideales Notfallsystem sei.
Dieses Lob kommt nicht von ungefähr: Das ELV ist für den Handel die preiswerteste Methode, mit Plastikgeld Umsatz zu machen. Bezahlt der Kunde hingegen mit seiner EC-Karte plus PIN (also der persönlichen Geheimnummer), wird es für den Handel teuer: Die Kartendaten vom Chip oder vom Magnetstreifen müssen per Datenleitung bei einem Autorisierungszentrum der Banken geprüft und die Zahlung genehmigt werden. Für diese Zahlungsgarantie verlangen die Banken pro Vorgang 0,3 Prozent des Umsatzes, mindestens aber acht Cent.
Das scheint wenig zu sein, doch Binnebößel berichtet von 250 Millionen Euro, die der Handel pro Jahr an die Banken zu zahlen habe. Würde beim Einkauf die Unterschrift durch die PIN ersetzt, kämen wohl noch einmal gut 150 Millionen Euro Kosten hinzu. Denn heute macht der Handel laut HDE zwölf Prozent seines Gesamtumsatzes per ELV, 18 Prozent mit dem EC-PIN-Verfahren.
Da die Banken ungern auf mehr Gebühren für die Zahlungsgarantie beim EC-PIN-Verfahren verzichten möchten, ist ihnen das Konkurrenzsystem ELV ein Dorn im Auge. Die Geldhäuser können dabei auf die Verwirklichung des europäischen Zahlungsraumes hoffen, in dem das deutsche Lastschriften-Verfahren und damit auch das Bezahlen per Unterschrift nach den bisherigen Plänen ein Auslaufmodell ist.
Falls das von der EU-Kommission geplante Ende für das ELV in ein paar Jahren kommen sollte, könnte das – wie bei vielen Geschäftsleuten zu hören ist – zu Preiserhöhungen im Handel führen. Aber vielleicht überlebt das System wegen seiner einfachen Technik und seiner gerade bewiesenen Qualitäten im Notfall. Das Risiko, dass ein Kunde trotz nicht gedeckten Kontos per Lastschrift bezahlt und es zu Einnahme-Ausfällen kommt, wird vom Handel nicht als Problem angesehen. Die Kostenersparnis gegenüber den Gebühren beim PIN-System ist offenbar deutlich höher.