Berlin. .
Seit gut einem Jahr wächst die deutsche Wirtschaft wieder. Doch dem Aufschwung trauten bisher nur wenige, auch wenn Experten ihre Prognosen nach und nach immer weiter erhöhen.
Jetzt spricht Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) von mehr als zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr. Bisher rechneten seine Beamten mit einem Drittel weniger. Optimistisch ist auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Wir warnen jedoch vor Übermut“, sagt Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Denn weltweit laufen die gigantischen Konjunkturprogramme aus und die Staaten gehen wieder auf Sparkurs. Noch immer sind Skeptiker wie der Verband in der Mehrheit.
Dabei sind die im jüngsten BDI-Konjunkturbarometer erhobenen Daten erfreulich. Der Export läuft auf Hochtouren. Ein Plus von acht Prozent ist für Deutschland dieses Jahr drin – allerdings waren die Exporte in der Wirtschaftskrise 2009 eingebrochen. Nun aber werden verstärkt nicht mehr nur Vorleistungen wie Stahl bestellt, sondern auch Investitionsgüter. Also glauben Firmen weltweit wieder an eine positive Entwicklung und kaufen Maschinen.
Kein nachhaltiger Einbruch am Stellenmarkt
Selbst der Konsum läuft in Deutschland besser als erwartet. Das liegt vor allem an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Statt der ursprünglich befürchteten Massenarbeitslosigkeit hinterließ die Krise keinen nachhaltigen Einbruch auf dem Stellenmarkt. Im Juni wurden rund 250 000 Arbeitslose weniger gezählt als vor einem Jahr.
Optimisten sehen sich bestätigt. Dazu gehört der Analyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer. Er erwartet einen anhaltenden Aufschwung. „In der Krise wurden die Lager abgebaut“, erklärt er. Nun füllten weltweit Firmen ihre Lager wieder auf.
In Asien „geht die Post ab“
Zweiter Antrieb sind Investitionen der Wirtschaft. Mit Beginn der Finanzkrise kappten viele Unternehmen die Etats dafür. Nun müssen sie verstärkt alte Anlagen ersetzen oder neue kaufen. Zudem sieht Hellmeyer einen stabilen Konsum. Der Chef des Ifo-Instituts ist ebenfalls zuversichtlich. „Da geht die Post ab“, sagt Hans-Werner Sinn mit Blick auf die deutschen Exportmärkte in Asien.
In den USA sieht es weitaus schlechter aus. Die US-Notenbank schließt einen erneuten Wirtschaftsabschwung nicht aus. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, die Verschuldung hat gigantische Ausmaße angenommen. Mehr als zehn Prozent der Wirtschaftsleistung nimmt Präsident Barack Obama an neuen Schulden auf, um die Wirtschaft anzufachen. Die Leute haben weniger Geld für den Konsum als wichtigste Stütze der Wirtschaft. Diese Entwicklung wird an den Börsen auch als Gefahr für die Weltkonjunktur angesehen.
Die USA verlieren an Bedeutung
Doch die Zeiten haben sich geändert, die USA verlieren an Bedeutung. „Sie sind nicht mehr die entscheidende Konjunkturlokomotive“, sagt Hellmeyer. Der Anteil der USA an der Weltwirtschaft sank auf 18 Prozent. Die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung erbringen mittlerweile Schwellenländer. Vor allem China heizt die Weltwirtschaft an. Weitere 25 Prozent steuern traditionelle Industrienationen wie die europäischen Staaten, Australien und Kanada bei. Sinn sieht es ähnlich. „Amerika gehört zu den Verlierern“, stellt der ifo-Forscher fest.
Für alle Autobauer ergibt sich aus dem Nachfrageboom in China eine Sonderkonjunktur. In Deutschland werden Extraschichten gefahren, um die Nachfrage auf dem inzwischen größten Automarkt der Welt zwischen Shanghai und Beijing befriedigen zu können.
Insgesamt heizten die Chinesen die Nachfrage stärker an als erwartet. Die weltwirtschaftlichen Gewichte, so wird es immer deutlicher, verschieben sich gen Fernost.