Brüssel/Essen. .
Die weitreichenden Folgen des Vorschlags der EU-Kommission zum vorzeitigen Aus des Bergbaus bereits 2014 beschäftigten gestern erneut die Bundesregierung. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm räumte in Berlin eine „schwierige Ausgangsposition“ ein und begründete dies damit, dass eine Änderung des EU-Kommissionsvorschlags im Ministerrat nur einstimmig möglich sei, sofern die Kommission bei ihrer Position bleibt. Das deutsche Steinkohlegesetz sieht einen Ausstieg erst im Jahr 2018 vor.
Nach Informationen dieser Zeitung will die Bundesregierung allerdings versuchen, eine Mehrheit für eine Änderung des Auslaufdatums zunächst innerhalb der Kommission zu gewinnen. Parallel dazu soll ebenfalls im Wettbewerbsrat, der mit den nationalen Wirtschaftsministern besetzt ist, eine Mehrheit organisiert werden. Sollte sich die Kommission zuvor zu einer Änderung bereit zeigen, reicht im Rat eine Mehrheit, um den Vorschlag anzunehmen.
Dafür braucht Deutschland die Unterstützung vieler anderer EU-Staaten, was angesichts der verbliebenen Bergbauländer Deutschland, Spanien und Rumänien als schwer gilt. „Dafür die nötige qualifizierte Mehrheit zu bekommen, wird sehr schwierig – oder sehr teuer“, warnt Bernhard Rapkay, der Vorsitzende der SPD-Gruppe im EU-Parlament. Rapkay weiß, wovon er spricht, denn er war 2002 parlamentarischer Berichterstatter der jetzt auslaufenden Beihilfe-Verordnung für die Steinkohle.
Schon damals sei es für die Deutschen nur deshalb möglich gewesen, eine Verlängerung für die Steinkohle durchzusetzen, weil sie den Franzosen bei deren Beihilfen für ihre Spediteure entgegengekommen sind. Rapkay, der zugleich Präsident des Zusammenschlusses der Bergbauregionen ist, kritisiert die Bundesregierung, sich nicht rechtzeitig in Brüssel eingeschaltet zu haben, um die Entscheidung für 2014 zu verhindern. Die Bundesregierung habe „grob fahrlässig“ gehandelt, schimpft Rapkay.
Kanzleramt war informiert
Die Abläufe zwischen Brüssel und Berlin sind allerdings nicht leicht nachzuvollziehen. Einer Lesart zufolge sollen sich sowohl der zuständige EU-Kommissar Joaquin Almunia wie auch Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso im Sinne der deutschen Regelung eingebracht haben. Auch EU-Kommissar Günther Oettinger hat sich nach eigenem Bekunden gegenüber unserer Zeitung für das Datum 2018 eingesetzt. Oettinger, der zum Zeitpunkt der Kommissionssitzung an einer Energieminister-Konferenz teilnahm, ließ sich und seine Position vertreten. Die harte Haltung der Mehrheit in der EU-Kommission sei so nicht absehbar gewesen. Noch kurz vor der Sitzung hätten die Signale auf Grün gestanden.
Nach Informationen unserer Zeitung war die Arbeitsebene im Kanzleramt allerdings schon vergangene Woche über drohende Schwierigkeiten informiert. Oettingers Kabinettschef Michael Köhler hatte bereits vor zwei Wochen in seinem Umfeld darauf verwiesen, dass der zuständige EU-Kommissar Almunia sich mit einem Vorschlag auf deutscher Linie einbringen wolle. Es sei allerdings unklar, ob er sich damit durchsetzen werde.