Berlin. .
Erlöse von 50 Milliarden Euro und mehr winken dem Staat, wenn er längere Atomlaufzeiten nicht kostenlos zuteilt, sondern sie von den Stromkonzernen ersteigern lässt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung soll diesen Vorschlag in Kürze prüfen.
Erlöse von 50 Milliarden Euro und mehr winken dem Staat, wenn er längere Atomlaufzeiten nicht kostenlos zuteilt, sondern sie von den großen Stromkonzernen ersteigern lässt. Dieser Vorschlag von Experten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen soll in Kürze von der schwarz-gelben Bundesregierung ernsthaft geprüft werden, wie ein Sprecher bestätigte.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte die Idee, die bereits im Frühjahr öffentlich wurde, in einem Interview mit der „Financial Times Deutschland“ als „interessanten Vorschlag“ bezeichnet. Dem Vernehmen nach ist eine Entscheidung bis Ende September geplant. Dann sollen im Kabinett die Eckpunkte des energiepolitischen Konzepts der Bundesregierung festgelegt werden. Die Atomwirtschaft lehnt das Modell ab. Prof. Justus Haucap, Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung, nennt im Gespräch mit dieser Zeitung den Grund: „Bei einer Auktion müssten die Energiekonzerne erstmals offenlegen, was ihnen die längeren Laufzeiten wirklich wert sind.“
Vorläufer war Auktion der UMTS-Lizenzen
Nach dem RWI-Modell müsste der Betreiber eines Atomkraftwerks Lizenzen für jede Terawattstunde (TWh) ersteigern, die er zusäötzlich zu den bisher bereits festgelegten Reststrommengen produzieren möchte. EineTerawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden. Bislang wurden in Deutschland mindestens 140 TWh pro Jahr produziert.
Vorläufer für diese Regelung wäre die Auktion der UMTS-Lizenzen für den Mobilfunk. Dadurch flossen im August 2000 über 50 Milliarden Euro in die Staatskasse.
Opposition sieht Versteigerung als „russisches Roulette“
Befürworter in Union und FDP sagen, die Auktion biete den Vorteil biete, dass nicht Politiker entscheiden müssten, wie viel Geld längere Laufzeiten für jedes der 17 Kraftwerke wert seien. Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU): „Alles, was wir sonst machen würden, wäre ein Deal und damit angreifbar.“ Prof. Haucap sekundiert. „Das darf nicht in einem Geschacher zwischen Politik und Wirtschaft ausgehandelt werden.“
Dagegen stößt der Vorschlag in der Opposition auf breite Ablehnung. Eine Versteigerung an den Meistbietenden sei wie „russisches Roulette“, erklärte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Bei Atomlaufzeiten gehe es um Sicherheit, nicht um das Staatssäckel.“ Für die Grünen sagte die Vorsitzende Claudia Roth: „Die uralten Pannenmeiler sind keine Zockermasse für schwarz-gelbe Haushaltspolitik.“ Ähnlich äußerte sich die Umweltorganisation Greenpeace. „Die durch Alt-Atomkraftwerke bedrohte Sicherheit der Menschen soll an den Meistbietenden verramscht werden“, erklärte Greenpeace- Atomexperte Tobias Münchmeyer. „Damit setzt sich die Bundesregierung dem Vorwurf der Käuflichkeit von Politik aus.“