Essen. Die Diagnose kann nur lauten: krankhafter Masochismus. Der renditestärkste Autobauer der Welt zerfleischt sich öffentlich. Der Streit der Eigentümer von Porsche ist nicht rational, sondern nur emotional zu erklären. Nicht der Konflikt Piëch-Wiedeking ist das Problem, sondern die "Familie".

Der Streit der Familieneigentümer von Porsche ist nicht rational, sondern nur emotional zu erklären. Wenn Piëch auf den Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wendelin Wiedeking einhackt, zielt er eigentlich auf einen anderen.

Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche sehen sich nicht ähnlich. Gemeinsam haben sie, dass sie Enkel von Professor Ferdinand Porsche sind, dem Hitler-Liebling und Käfer-Erfinder, gleichzeitig Cousins, Österreicher, Milliardäre und etwa gleich alt: der mindestens zwölffache Vater und Asket 72, der liebevoll zu WoPo abgekürzte Lebemann 66. Und sie sind zutiefst verfreundete Familienmitglieder.





Piëch lebte zwölf Jahre lang mit der Ex-Frau eines anderen Porsche-Cousins zusammen. Das ist unvergessen. Die Scheidung von Marlene und Gerd Porsche verschob kurzfristig auch die Stimmverhältnisse zwischen den eigentlich gleichberechtigten Piëchs und den Porsches, jeweils vier Enkelkindern des Professors. Wolfgang und seine Brüder kauften Piëch-Gefährtin Marlene ihre Porsche-Anteile ab.

Dass er in der Folge des „Stuttgarter Erbfolgekriegs” von 1971 nur der Anteile wegen eine Beziehung mit Vetters Frau eingegangen sei, bestreitet Piëch in seinem Buch „Auto. Biographie”.

Unstrittig unvergessen ist für Piëch sicher der Quasi-Rauswurf in Stuttgart. Er, der Technikverliebte, der mal einen neuen 18-Zylindermotor für den Bugatti auf der Serviette skizzierte, durfte das Konstrukteurswerk seines Großvaters bei Porsche nicht fortsetzen. Die beiden P-Familien zogen sich in einem gemeinsamen Beschluss zum Jahr 1972 aus dem operativen Geschäft heraus.


Den Über-Großvater übertrumpfen

Dass Piëch von der Idee besessen ist, den Über-Großvater zu übertrumpfen, wird oft spekuliert.

Wichtige Entscheidungen bei Porsche müssen einstimmig fallen, was Piëch jetzt die Möglichkeit gibt, brutal auf Zeit zu spielen. Der Aufsichtsratssitzung am gestrigen Montag blieb er einfach fern. Eine Woche zuvor hatte er bei seiner Breitseite gegen den Porsche-Vorstandsvorsitzenden Wiedeking gegen das ungeschriebene Clan-Gesetz des Schweigens verstoßen.

Anfang der Neunziger stehen Porsche und VW missgemanagt am Abgrund. Piëch übernimmt den Vorstandsvorsitz bei VW 1993 und schafft 13 verschiedene Hinterachstypen beim Golf ab. Wiedeking übernimmt im selben Jahr den Vorstandsvorsitz bei Porsche, betriebswirtschaftlich pleite, und holt führende japanische Effizienzexperten ins Haus.

Piëch hat Erfolg mit seiner Plattformstrategie, Wiedeking mit seinen Wachstumsplänen. Piëch fängt nach großen anfänglichen Erfolgen an, sich zu verzetteln. Er träumt vom Mega-Konzern mit allem vom Ein-Liter- bis zum 1000-PS-Auto. Wiedeking macht aus den Millionären bei Porsche Milliardäre, Rendite im operativen Geschäft: 65 Prozent.


Luxusstrategie bei Volkswagen

Wiedeking hält Piëchs Luxusstrategie bei Volkswagen für reine Geldverbrennerei und entwickelt die Idee, den VW-Konzern praktisch umsonst aufzukaufen und auf Zuffenhausener Effizienz zu trimmen. Um an elf Milliarden Euro Wolfsburger Barreserven heranzukommen, müsste das VW-Gesetz und damit Niedersachsens Sperrminorität gekippt werden.

Aber die scheinbar gleichgesinnte EU in Brüssel kippt das VW-Gesetz nur teilweise, und die Neufassung schreibt den Einfluss des Bundeslandes fest.

Der Finanzjongleur Wiedeking hat die Politik unterschätzt. „Sein” Ministerpräsident Günther Oettinger kann sich bei Kanzlerin Angela Merkel nicht gegen Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff durchsetzen. Seit dieser schweren CDU-internen Niederlage ist von Oettinger kein Sterbenswörtchen mehr zu hören.