Essen. Die Kommunen sollen auf Einnahmen aus der Gewerbesteuer verzichten, um eine Rettung der angeschlagenen Essener Kaufhauskette Karstadt zu ermöglichen. Das löst in den Revierstädten Diskussionen aus. Städte wie Dortmund und Recklinghausen sehen den Fall anders als Mülheim oder Bochum.
Einen solchen Fall hat Christoph Tesche während seiner zehnjährigen Amtszeit als Kämmerer von Recklinghausen noch nicht erlebt. Vor einigen Wochen trat der Insolvenzverwalter des Warenhauskonzerns Karstadt mit einer heiklen Bitte an die Stadt heran. Klaus Hubert Görg legte der Kommune nahe, auf Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu verzichten, um eine Rettung der angeschlagenen Essener Kaufhauskette zu ermöglichen.
Von bundesweit knapp 90 Städten und Gemeinden mit Karstadt-Standorten erhofft sich Görg Zugeständnisse. Dabei geht es für die Kommunen um Einnahmeausfälle, die insgesamt 100 Millionen Euro erreichen könnten.
Kämmerer Tesche befürwortet tatsächlich, dem Unternehmen finanziell zu helfen. „Das ermöglicht erst, dass Karstadt überhaupt überlebt und künftig Gewerbesteuern zahlt“, sagte Tesche im Gespräch mit dieser Zeitung. Schließlich gehe es auch darum, vor Ort 200 Arbeitsplätze zu retten.
Doch mit welcher Berechtigung soll ein einzelnes Unternehmen von der Steuerlast befreit werden, während andere Betriebe zahlen müssen? Droht nicht eine Verzerrung des Wettbewerbs? Tesche argumentierte, es handele sich um einen „rein buchtechnischen Gewinn“, um den es in diesem Fall gehe. Zur Rettung des Konzerns sollen die Karstadt-Gläubiger auf 97 Prozent ihrer finanziellen Forderungen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro verzichten. Das Geld müsste als so genannter außerordentlicher Ertrag in der Bilanz verbucht und versteuert werden. Das bedeutet auch: „Wenn sich Karstadt erholt und ordentliche Gewinne erzielt, dann ist die Gewerbesteuerpflicht auch wieder zu erfüllen.“
In Dortmund gibt es aus einer nicht-öffentlichen Ratssitzung bereits einen Beschluss zugunsten von Karstadt. Dem Vernehmen nach ging es um eine siebenstellige Summe, die dem städtischen Haushalt entgeht.
„Gut die Hälfte der Kommunen hat bundesweit schon zugestimmt“, sagte ein Sprecher von Insolvenzverwalter Görg. Bislang gebe es „keine Ablehnung“.
Doch in den Ruhrgebietsstädten mit Karstadt-Standorten gab es zunächst keine einheitliche Linie. In einigen Kommunen regte sich sogar Widerstand – zum Beispiel in Mülheim. „Wir glauben zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass wir verzichten wollen. Das muss aber letztlich der Rat entscheiden“, erklärte Stadtsprecher Volker Wiebels.
Skepsis in Bochum und Mülheim
Auch der Bochumer Stadtkämmerer Manfred Busch äußerte sich mehr als skeptisch. „Geschenke können wir nicht verteilen“, sagte er.
Während sich in Bottrop ebenso wie in Dortmund und Recklinghausen grünes Licht für die Pläne von Insolvenzverwalter Görg abzeichnete, hieß es in Duisburg und Essen: „Kein Kommentar.“
Nicht nur Karstadt, sondern auch die Kommunen leiden unter Finanznot. Wegen der starken Verschuldung der Stadt gilt in Bochum ein so genannter Nothaushalt. Daher sei die Kommune dazu verpflichtet, alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. „Davon kann nur die Kommunalaufsicht eine Ausnahme machen“, betonte Stadtsprecherin Barbara Gottschlich. Die Stadt Bochum sieht im Fall Karstadt auch die Landesregierung gefragt. „Betroffen sind 90 Kommunen im ganzen Bundesgebiet und das Land als Steuergläubiger, damit ist eine Landesentscheidung gefordert“, sagte Gottschlich.
Innenminister Wolf hält sich bedeckt
Formal zuständig ist NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP). Der ließ mitteilen: „Es handelt sich um einen sehr komplexen Sachverhalt, den es in dieser Art und Größe noch nicht gegeben hat.“ Daher sei eine „intensive Prüfung“ erforderlich.
Denkbar wäre auch, Karstadt die Steuerschulden nicht sofort zu erlassen, sondern zunächst einmal lediglich zu stunden, um juristische Fragen zu klären. Jedenfalls kündigten auch die für das Ruhrgebiet zuständigen Regierungspräsidenten in Arnsberg, Düsseldorf und Münster an, mögliche Steuervergünstigungen für den Warenhauskonzern aufmerksam zu prüfen.