Rom. Das Label provozierte einst mit umstrittener Werbung. Jetzt wird im Unternehmen schmutzige Wäsche gewaschen – und zwar ganz öffentlich.
Er gilt als „König der bunten Pullis“: Mit seinen Strickwaren hat der italienische Modeunternehmer Luciano Benetton einst die Welt erobert, sein Konzern gehört zur italienischen Identität wie Vespa oder Barilla-Nudeln. Doch nun macht das Unternehmen mit Negativ-Schlagzeilen von sich Reden. In der Konzernspitze wird dreckige Wäsche gewaschen – in aller Öffentlichkeit. Wie konnte das Kult-Unternehmen so tief stürzen?
Der internationale Erfolg für die „United Colors of Benetton“ stellte sich ab Anfang der 1980er Jahre ein – nicht zuletzt wegen oft provokanter Werbefotos. Doch die Benetton-Saga hat viel früher begonnen. Der 1935 geborene Luciano hatte früh seinen Vater verloren und begann bereits als 14-Jähriger in seinem Geburtsort Ponzano in der Nähe von Venedig als Stoffverkäufer zu arbeiten.
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In seiner Heimatstadt erregte der Jugendliche schnell Aufsehen mit den ungewöhnlich bunten Pullis, die ihm seine Schwester Giuliana auf einer Strickmaschine fertigte. Der Legende nach verkauften Luciano und Giuliana auf Anhieb 700 Stück. Die Benetton-Geschwister waren dann die ersten, die ihre Pullover massenweise in ungefärbtem Garn herstellen ließen, um sie erst später, angepasst an die gerade aktuellen Modefarben, einfärben zu lassen.
Immobilien, Autobahnen, Raststätten: Benetton mischte überall mit
Weltbekannt wurde die Benetton-Gruppe dank der Zusammenarbeit mit dem Skandalfotografen Oliviero Toscani. Dieser warb für „United Colors of Benetton“ mit Sujets, die Gesprächsstoff lieferten und für jede Menge Eklats sorgten: Mafia-Opfer in Blutlachen, sterbende Aidskranke, tote Soldaten und küssende Priester und Nonnen. Mit seinen Produkten stieg Luciano Benetton zeitweise zum zweitreichsten Mann Italiens hinter dem TV-Zaren Silvio Berlusconi auf.
Doch die Familie Benetton expandierte weit über die Modebranche hinaus. Luciano Benetton und seine Geschwister gründeten die Familienholding Edizione, die Beteiligungen an privaten Autobahnen, Flughäfen, Bahnhöfen, der Raststättenkette Autogrill sowie Immobilien in Südamerika aufkaufte. Der Gesamtumsatz betrug im vergangenen Jahr rund zehn Milliarden Euro. Doch je mehr die Benettons ihren Geschäftsbereich diversifizierten, desto mehr litt ihr Kerngeschäft – die Modebranche.
Unter der Billigkonkurrenz des schwedischen Anbieters H&M und der spanischen Kette Zara meldete Benetton immer stärkere Verluste. Mehrere Umstrukturierungsversuche brachten nicht die erhofften Resultate. Luciano Benetton, der 2012 seinem Sohn Alessandro das Ruder des Konzerns überlassen hatte, kehrte 2018 als Verwaltungsratspräsident zurück in der Hoffnung, das Modeunternehmen wieder in den Griff zu bekommen – ohne jedoch den Durchbruch zu schaffen.
Luciano Benetton kündigt Rückzug aus der Unternehmensspitze an
Jetzt kommt es zur eklatanten Wende: Wenige Tage nach seinem 89. Geburtstag Mitte Mai hat Luciano Benetton seinen Rücktritt angekündigt. Der Verwaltungsratspräsident des Modeunternehmens beschwerte sich in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“, dass er von seinen Managern „verraten“ worden sei. Das Unternehmen habe die für 2023 gesetzten Ziele verfehlt.
Ausdrücklich beklagte sich Luciano Benetton über CEO Massimo Renon und die Manager um ihn herum, die ihm seiner Meinung nach „ein dramatisches Budgetloch“ von etwa 100 Millionen Euro verschwiegen hätten. Renon wiederum prüfe jetzt eine Klage gegen Benetton wegen Rufschädigung, berichten italienische Medien.
Seinen Rücktritt will Benetton bei der Aktionärsversammlung am 18. Juni vorlegen. Somit soll ein Wechsel in der Unternehmensführung eingeleitet und ein Plan für die Reorganisation und den Neustart der Benetton-Gruppe auf den Weg gebracht werden. Doch ist dafür überhaupt noch Zeit? Beschäftigt sind bei dem Unternehmen insgesamt 6000 Mitarbeiter, die nun negative Konsequenzen fürchten.
Sinkflug: Benetton-Gruppe machte seit 2013 eine Milliarde Euro Verlust
Benettons Worte lösten bei den Gewerkschaften Alarmstimmung aus. „Mit Verlusten hatten wir gerechnet, allerdings nicht in der Größenordnung, von der Luciano Benetton spricht“, so die Arbeitnehmerverbände. Gewerkschaftssprecher Gianni Boato betonte, dass die Benetton-Gruppe seit 2013 bereits eine Milliarde Euro Verlust gemeldet habe. Jetzt muss der börsennotierte Mutterkonzern Edizione dem Unternehmen unter die Arme greifen. Die Holding will 260 Millionen Euro für die Umstrukturierung zur Verfügung stellen.
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Schon seit 2018 ist die Familie Benetton in echten Schwierigkeiten. Damals starb Luciano Benettons Bruder Carlo. Danach stand der Familienclan nach dem Brückenunglück von Genua scharf in der Kritik. Der Autobahnbetreiber „Autostrade per l‘Italia“ gehört zur Holding Edizione. Er verwaltete die Autobahnbrücke, die am 14. August 2018 43 Menschen in den Tod riss. Die Tragödie warf einen düsteren Schatten auf das Erbe der Familie. Ihr wurde Profitgier unterstellt, sie hätte zwar Maut für Autobahnen kassiert, nicht aber in die Instandhaltung investiert.
Mittlerweile läuft gegen Manager des Autobahnbetreibers ein Prozess in Genua. Wenige Monate nach dem Unglück starb auch Gilberto, der älteste unter den Benetton-Geschwistern. Er hatte Benetton zu einem internationalen Infrastruktur- und Finanzkoloss umgewandelt. Auch das Infrastrukturimperium musste nach dem Brückenunglück umstrukturiert werden. Der Mutterkonzern der Autobahngesellschaft wechselte seinen Namen von Atlantia in Mundys. Die Benettons kämpften jetzt um die Wiederherstellung ihres Rufes. Und um das Überleben des Modeunternehmens, das den Familiennamen trägt.
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