Essen. Neuste Daten zeigen: Das Ruhrgebiet ist keine Industrieregion mehr, viele Leute verdienen schlecht, wenige haben studiert. Was sich ändern muss.
Das Ruhrgebiet steht für Strukturwandel - doch es ist ein Wort aus dem vergangenen Jahrhundert, das heute eine völlig andere Bedeutung haben sollte. Denn das, was vor 40 Jahren als überlebenswichtiger Strukturwandel gefordert wurde, hat längst stattgefunden: der Wandel von der Industrieregion zur Dienstleistungsmetropole. Das muss sich vergegenwärtigen, wer die jüngsten Daten zum Strukturwandel zwischen Duisburg und Dortmund richtig lesen will.
Die mit der Industrie weggebrochenen Arbeitsplätze sind durch neue Jobs in Büros, Altenheimen, Kliniken, Restaurants, Logistikcentern und vielen anderen Dienstleistungsbranchen mehr als nur kompensiert worden. Zumindest statistisch. Es gibt heute mehr Arbeitsplätze als in den 80er Jahren, und da es im Ruhrgebiet anteilig inzwischen weniger Jobs in Fabriken und Werken gibt als in anderen Regionen, ist es faktisch auch keine Industrieregion mehr. Der Strukturwandel ist übers Ziel hinausgeschossen.
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Trotzdem haben auch jene recht, die sagen, er sei noch nicht beendet. Zum einen, weil noch immer viele Industriebrachen nicht für Neues nutzbar sind. Zum anderen, weil sich Strukturen immer wieder ändern müssen. Im Ruhrgebiet geht es jetzt aber vor allem darum, nicht noch mehr Industrie zu verlieren, etwa die Stahlindustrie. Für die Jobvielfalt wäre es besser, eher wieder ein paar mehr Produktionsstätten zu haben. Sprich: Nicht jede Industriebrache mit Logistik oder Büros zuzubauen, sondern wenn irgend möglich mit neuer Industrie.
Das Industriesterben hat das Ruhrgebiet ärmer gemacht
Denn der Wandel zur Dienstleistungsregion hat das Ruhrgebiet im Vergleich mit anderen Regionen auch ärmer gemacht. Wegen der vielen unterdurchschnittlich bezahlten Dienstleistungs-Jobs hinken die Revier-Kommunen beim verfügbaren Einkommen, den Steuereinnahmen und damit auch in ihrer Finanzkraft hinterher. Und trotz der vielen Unis leben hier zu wenige Akademiker.
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Das ausgegebene Ziel, die erste grüne Industrieregion zu werden, ist aus vielen Gründen das richtige: Die Entwicklung und der Aufbau klimaschonender Produktionen sind die Voraussetzung dafür, dass es künftig überhaupt noch Industrie im Ruhrgebiet gibt. Der Innovationsdruck kann aber auch kluge Köpfe an den Revier-Unis in der Region halten und neue von außen anlocken. Das Potenzial für die Umwelt- und Klimawirtschaft ist riesig. Strukturwandel darf heute nicht weg von der Industrie führen, sondern er muss hinführen zu einer innovativen, sauberen Industrie. Der Weg dahin ist noch weit, und kein Unternehmen, keine Branche wird ihn alleine schaffen. Das Ruhrgebiet, seine Politik und Wirtschaft, müssten dafür eine echte Einheit bilden. Also mal was Neues wagen.