Berlin. Gewerkschaft warnt vor dramatischen Folgen für den Arbeitsmarkt. Warum auch Fachkräfte kaum Chancen auf eine bezahlbare Wohnung haben.
Experten schlagen Alarm: In Deutschland fehlen aktuell mehr als 800.000 Wohnungen. Gleichzeitig wird der Wohnungsbau in diesem Jahr um 5,4 Prozent zurückgehen. Dies trifft auch die Wirtschaft deutlich, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben hat, die auf dem Wohnungsbau-Tag vorgestellt wurde. Die Steuereinnahmen dürften damit um fast 5 Milliarden niedriger ausfallen als im Vorjahr.
Hintergrund: Heizung und Mieten kosten Steuerzahler 20 Milliarden Euro
Die Wohnungswirtschaft ist ein wesentlicher Konjunkturmotor im Inland, sagen die DIW-Ökonomen. Die Wohnungsbaubranche sei so wichtig wie die Automobilbranche – und zwar für den Arbeitsmarkt und die Bruttowertschöpfung. Um den Wohnungsbau anzukurbeln und der Krise entgegenzuwirken, fordert das Verbändebündnis Wohnungsbau deshalb die Bundes- und Landespolitik zu einer sofortigen staatlichen Sonderförderung von 23 Milliarden Euro im Jahr auf.
- Studie:Immobilienpreise wie 2017? Prognose elektrisiert Häusermarkt
- Wohnatlas:Wo Käufer mit sinkenden Immobilienpreisen rechnen können
- Ratgeber: Leitfaden zum Baukredit – was Käufer wissen sollten
- Nicht nur Zinsen: Baukredite im Vergleich – worauf es ankommt
- Vergleich: Baukredite im Test – Finanztest gibt klare Empfehlung
„15 Milliarden Euro müssten für 100.000 neue Sozialwohnungen ausgegeben werden, 8 Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen“, sagt Robert Feiger, Vorsitzender Industrie Gewerkschaft (IG) Bau, die zu dem Verbändebündnis aus Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie der Bauwirtschaft gehört, dieser Redaktion. Dies gehe aus aktuellen Berechnungen des Bauforschungsinstituts ARGE hervor.
Krise im Wohnungsbau: „Stärkster Einbruch seit Finanzkrise“
„Schon seit 3 Jahren geht es mit dem Wohnungsbau bergab. Aber in diesem Jahr rechnen wir mit dem stärksten Einbruch seit der Finanzkrise“, mahnt Feiger. Allein 2023 war der Wohnungsbau mit 537 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung ein wichtiger Motor der Binnenkonjunktur. Insgesamt flossen 141 Milliarden Euro an Steuereinnahmen in den Staatshaushalt – 17 Prozent der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland.
Die Schwäche am Wohnungsmarkt und der Mangel von 800.000 Wohnungen werde laut Feiger auch zum Problem für den Arbeitsmarkt. „Egal, ob Fachkräfte aus Deutschland oder Zuwanderer aus dem Ausland: Wer in den Großstädten und Ballungsräumen arbeiten will, hat kaum eine Chance auf eine bezahlbare Wohnung“, kritisierte der IG-Bau-Chef. Zudem hängen insgesamt 6,6 Millionen Arbeitsplätze – und damit jeder siebte Job – mit dem Wohnungsbau zusammen, so Feiger: „2,3 Millionen Arbeitsplätze gibt es in der Wohnungsbaubranche direkt.“
Interessant auch:Jetzt ein Haus oder Wohnung kaufen? Wozu Experten raten
Insbesondere in dem Mangel an Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen stecke sozialer Sprengstoff. Aktuell leben laut IG-Bau-Chef 9,3 Millionen Menschen auf zu engem Raum. Betroffen seien vor allem Menschen mit geringen Einkommen, Alleinerziehende, Singles und Rentner. „Von den armutsgefährdeten Menschen lebt jeder Fünfte auf zu engem Raum“, sagt Feiger.
Gleichzeitig können sich immer weniger Menschen eigenes Wohneigentum leisten. „Ganz konkret“, so Feiger: „Ein Bau-Facharbeiter kann sich heute das, was er baut, selbst nicht mehr leisten.“ Wer sich früher seine eigenen vier Wände anschaffen konnte, dränge heute auf den ohnehin überstrapazierten Mietwohnungsmarkt.
Angesichts steigender Baukosten geraten auch die Wohnungsbauunternehmen unter Druck. „Unsere Unternehmen sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen gezwungen, den Neubau einzustellen, denn er ist nicht mehr bezahlbar – weder für die Bauherren noch für die künftigen Mieter“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW. Während der Neubau massiv einbreche, bleibe die Wohnungsnachfrage vor allem mit Blick auf die starke Zuwanderung aber auf einem hohen Niveau. „Die dramatische Lage auf den Wohnungsmärkten wird sich in den kommenden Jahren also weiter zuspitzen.“