Hamburg. Der Lufttaxi-Prototyp ist fertig. Wenn die Bodentests abgeschlossen sind, geht es in die Luft. Wo, wann und wie das passieren soll.
Für viele Menschen klingen Lufttaxis immer noch nach Science-Fiction. In dem Filmklassiker „Das fünfte Element“ kreuzen sie auf verschiedenen vertikalen Ebenen zwischen den Wolkenkratzern. Ein Massentransportmittel – wie der zweite Teil des Wortes „Lufttaxi“ suggeriert – werden die Fluggeräte nach heutiger Mehrheitseinschätzung in der Branche wohl nicht werden. Dennoch treiben Start-ups wie Volocopter und Lilium sowie Autohersteller entsprechende Pläne voran. Ganz vorne dabei ist Europas größter Flugzeughersteller, der DAX-Konzern Airbus.
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Airbus ist seit Jahren auf dem Lufttaxi-Markt aktiv. Eine erste Version machte Ende 2019 angeleint an Stahlseilen über den Kufen seinen ersten Hüpfer. Ein paar Wochen später flog es dann ohne Sicherheitsleine in geringer Höhe. Im Herbst 2021 wurde ein komplett überarbeitetes Design vorgestellt, der Cityairbus NextGen – die nächste Generation. Er bietet vier Personen Platz. Die Reisegeschwindigkeit soll bei 120 Kilometern pro Stunde liegen, die Reichweite bei 80 Kilometern. Geflogen wird zwischen etwa 150 und gut 450 Metern Höhe. Das Abfluggewicht soll inklusive vier Personen an Bord bei maximal 2,2 Tonnen liegen.
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Das senkrecht startende und landende Fluggerät wird durch acht kleine, starre Propeller in die Luft gehievt. Die Kraft dafür stammt aus einer Batterie. Falls diese ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Quellen aufgeladen wird, könnte der Cityairbus CO₂-neutral fliegen. Wegen dieser Eigenschaften werden die Fluggeräte in der Branche eVTOLs (electric Vertical Take-off and Landing aircraft) genannt.
Lufttaxis werden wohl eher keine Massentransportmittel
Die Flugtaxis sollen deutlich leiser als Helikopter sein. Angestrebt werden bei Start und Landung maximal 70 Dezibel. Das entspricht etwa der Lautstärke eines Staubsaugers. Fürs Abheben und Aufsetzen können Hubschrauberlandeplätze und Flughäfen genutzt werden. Um neue Vertiports zu erreichen – also Plätze, an denen die Lufttaxis senkrecht starten und landen können, Passagiere ein- und aussteigen und gegebenenfalls die Batterien aufgeladen werden –, sind gut 20 Meter Radius und ein Luftraum darüber ohne Hindernisse notwendig.
„Unser Ziel für 2024 ist es, den Cityairbus NextGen erstmals abheben zu lassen“, sagt Balkiz Sarihan, Airbus-Managerin am Standort Donauwörth, wo das Lufttaxi entwickelt wird. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte solle es so weit sein. Ursprünglich waren auch schon einmal Ende 2023 und Anfang 2024 dafür genannt worden. Der Premierenflug verschiebt sich also um einige Monate.
Das ist in der Branche eine häufig vorkommende Entwicklung und geschieht auch bei neuen Flugzeugtypen immer wieder. Sarihan gibt zu bedenken, dass bei diesem Fluggerät alles neu ist. „Wir haben keine Eile“, sagt die Airbus-Managerin. „Nachdem das Fluggerät erstmals eingeschaltet wurde, sind noch eine Menge Schritte zu erledigen, bevor es in die Luft gehen kann.“
Airbus baute neues Testzentrum für Lufttaxis
In Donauwörth wurde für das Lufttaxi extra ein neues Testzentrum gebaut. In Bodentests wird dort zunächst der Prototyp auf Herz und Nieren gecheckt. „Wie bei jeder neuen Entwicklung müssen wir noch viele Herausforderungen meistern und viel lernen“, erklärt Sarihan. Der Bau eines zweiten Prototyps ist derzeit nicht geplant.
Wenn die Bodentests erfolgreich abgeschlossen sind, soll es in die Luft gehen – vermutlich erneut wie beim Vorgänger durch Stahlseile gesichert. „Der erste Flug wird unbemannt erfolgen und von einer Kontrollstation gesteuert werden“, sagt Sarihan. Zwar soll der Cityairbus grundsätzlich autonom fliegen können. Auf dem Markt wolle man ihn aber pilotengesteuert anbieten. „Um das Vertrauen der Bevölkerung in das Produkt zu gewinnen, ist das Vorhandensein eines Piloten wichtig“, beteuert Sarihan und ergänzt: „Auf absehbare Zeit wird ein Pilot an Bord sein.“
Airbus arbeitet mit mehr als 30 Partnern. In Deutschland gründete Airbus im Mai 2022 die Air-Mobility-Initiative. Mit der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom soll im Bereich Luftverkehrsmanagement der effiziente und sichere Flug des eVTOL gewährleistet werden.
Mögliche Einsatzbereiche: Rettungsdienst, Ökotourismus, Shuttleservice
Die Technische Universität Hamburg beschäftigt sich damit, Lufttaxis in ein städtisches Verkehrssystem zu integrieren. Der Münchner Flughafen und die Deutsche Bahn helfen, intermodale Anbindung voranzubringen. Die norwegische Luftrettung ist seit rund einem Jahr mit an Board. Sie setzt bisher Airbus-Helikopter ein. Die Originaldaten ihrer Einsätze helfen dabei, Einsatzgebiete unter Berücksichtigung der landestypischen Topografie zu identifizieren. Zudem wird besprochen, wie das ideale Kabinendesign aussehen könnte. Auch Estland macht mit, um das Rettungs- und Gesundheitssystem zu verbessern. Wo kommen Notrufe rein? Wie erfolgt die Entscheidungsfindung, ob ein Krankenwagen, ein Hubschrauber oder eine Drohne eingesetzt wird?
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Mit dem japanischen Hubschrauberbetreiber Hiratagakuen und der italienischen Fluglinie ITA Airways wird über künftige mögliche Luftmobilitätsdienste nachgedacht. Denn neben dem Rettungsdienst gelten auch der Ökotourismus und Shuttleservices als künftige Anwendungsfelder. Bei der Kundenakquise will man auf das Vertriebsnetz von Airbus zurückgreifen. Noch ist offen, in welchem Land der Cityairbus NextGen die ersten kommerziellen Routen fliegen soll. Einen groben Zeitplan für die Übergabe des ersten Airbus-Lufttaxis gebe es bereits, so Sarihan: „In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts soll der Eintritt in den Markt erfolgen.“