Berlin. Deutschland erobert das Weltall. Erstmals wird von der Bundesrepublik aus eine Rakete abheben. Der Startplatz: Mitten in der Nordsee.

2024 wird ein besonderes Jahr für die deutsche Raumfahrtindustrie. Die ersten neu entwickelten Raketen werden ins All schießen. Die Bundesrepublik bekommt einen mobilen Startplatz in der Nordsee. Und vom Weltraumbahnhof Kourou soll Ariane 6 abheben, Europas Spitzenrakete, vollgestopft mit Technik aus Deutschland. Ein anderes Prestigeprojekt wird jedoch verschoben.

Drei deutsche Hersteller planen Raketenstarts

In diesem Jahr ist es so weit: Jungfernflüge für die Raketen von drei deutschen Herstellern. Die RFA One der Rocket Factory Augsburg (RFA) soll im Sommer vom Saxavord Spaceport im Norden Shetlands starten. Sie wird bereits Satelliten ins All bringen, auch der geplante zweite Start der Augsburger ist bereits ausgebucht.

Konkurrent Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München setzt auf Norwegen. Das Unternehmen nutzt für seine Spectrum-Rakete einen Startplatz auf der norwegischen Insel Andøya. Als Termin war zuletzt das Frühjahr angepeilt. Noch laufen Tests. Mit an Bord sind unter anderem Satelliten des DeutschenZentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der TU Berlin.

Mehr zum Thema: Berliner Raumfahrtunternehmen wollen hoch hinaus

HyImpulse aus dem baden-württembergischen Neuendorf bei Heilbronn geht für den Erststart der SR75 nach Australien. Die Rakete wird nicht in die Tiefen des Alls vorstoßen, sondern soll einen suborbitalen Forschungsflug vollführen. Sie soll erst einmal zeigen, dass der innovative Treibstoffmix mit einer Art Kerzenwachs nicht nur auf dem Teststand funktioniert. Die größere Rakete SL1 ist in zwei Jahren fertig und soll in Saxavord starten.

Raumfahrt: Weg von staatlich finanzierten Projekten, hin zur Privatwirtschaft

Die drei Firmen sind Teil des sogenannten New Space. Seit Jahren wandelt sich die Raumfahrt von staatlich finanzierten Projekten hin zu privaten, kommerziellen, auch weil technisch mehr möglich ist, etwa Satelliten im Kartonformat. Die Kosten sinken, weil die Geräte in Masse gefertigt werden. Firmen tüfteln an erdumspannenden Netzen, die die Erde beobachten können, beim autonomen Fahren helfen sollen, Internet aus dem All liefern oder moderne Präzisionslandwirtschaft ermöglichen.

Die deutsche und europäische Raumfahrt greift nach den Sternen.
Die deutsche und europäische Raumfahrt greift nach den Sternen. © © ESA-CNES-ARIANESPACE-ArianeGroup | © ESA-CNES-ARIANESPACE-ArianeGroup

Die Beratungsfirma Euroconsult schätzt das Marktvolumen allein für Satelliten bis 2032 auf 588 Milliarden Dollar (535 Milliarden Euro) weltweit. Fast 2800 Satelliten sollen demnach jährlich ins All, vor allem in den sogenannten Low Earth Orbit (LEO) in Höhen um die 500 Kilometer. Um dorthin zu kommen, sind kleine, in Massen gefertigte günstige Raketen nötig, sogenannte Microlauncher wie RFA One, Spectrum oder SL1.

Weltweite Raumfahrt-Pläne für 2024

weitere Videos

    Sie sind um die 30 Meter hoch, haben gut zwei Meter Durchmesser und können bis zu 1,3 Tonnen Nutzlast tragen – klein im Vergleich zur Falcon 9 der US-Firma SpaceX mit 70 Meter Höhe und 3,7 Meter Durchmesser. Hinter RFA stehen das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB und der US-Finanzinvestor KKR. Isar Aerospace wird unter anderem von den Wagniskapitalgebern UVC Partners und Earlybird sowie von Airbus und Porsche finanziert. Hinter HyImpulse steht die Schwarz Holding aus München, der das Testdienstleistungsunternehmen IABG gehört.

    Deutscher Raketenstart mitten in der Nordsee

    Bereits im April soll erstmals eine Rakete von der Bundesrepublik aus abheben, allerdings nicht von Land. Dafür ist Deutschland zu dicht besiedelt. Gestartet werden soll von einem Spezialschiff aus in der Ausschließlichen Wirtschaftszone etwa 350 Kilometer vor der Küste mitten in der Nordsee. Hinter dem Projekt steht die Deutsche Spaceport Alliance, zu der unter anderem OHB und die Reederei Harren gehören.

    Raketenstart in der Nordsee – ab April Realität?
    Raketenstart in der Nordsee – ab April Realität? © © Harren Group | © Harren Group

    Starten wird eine kleinere Rakete der niederländischen Firma T-Minus für einen Forschungsflug. Perspektivisch sollen auch Microlauncher starten. Der Vorteil des Schiffs: Die in Deutschland gebauten Raketen müssen nicht umständlich und langwierig zu einem entlegenen Startort im Ausland transportiert werden, sondern können in Bremerhaven aufs Schiff verladen werden. Komplizierte Ausfuhrgenehmigungen für die sensible Technik entfallen.

    Ariane 6: Europäische Rakete kann bis zu zwölf Tonnen Last tragen

    Um zum Mond und zum Mars zu fliegen, schwere Lasten ins All zu bringen oder Sonden ans Ende der Galaxie zu schicken, sind große Raketen nötig. Die Esa hat die Ariane 6 entwickeln lassen, die 2024 erstmals vom europäischen Weltraumbahnhof im südamerikanischen Kourou starten soll. Sie ist ein europäisches Gemeinschaftswerk, wesentliche Teile stammen aus Deutschland.

    Lesen Sie auch:Mythos Mond: Das müssen Sie über den Himmelskörper wissen

    So liefert MT Aerospace (Bremen/Augsburg) unter anderem die Treibstofftanks von Haupt- und Oberstufe sowie verschiedene Teile der Verkleidung. Der Bremer Standort der französischen ArianeGroup ist verantwortlich für die Oberstufe und entwickelt eine Zusatzstufe für besonders große Reichweite. Der Firmenteil in Ottobrunn baut Teile der Triebwerke und die Antriebseinheit für die Zusatzstufe.

    Die erste Ariane 6 steht bereits an ihrem Startplatz in Kourou. Derzeit laufen verschiedene Tests. Die Rakete ist um die 60 Meter hoch, hat 5,4 Meter Durchmesser und kann bis zu zwölf Tonnen Last tragen. Esa-Chef Josef Aschbacher hat den Start für Juli angekündigt.

    Erste Mondlandung seit 52 Jahren muss verschoben werden

    Höhepunkt des Raumfahrtjahres wäre wahrscheinlich der erste bemannte Flug Richtung Mond seit 52 Jahren gewesen. Im Herbst sollte „Artemis 2“ von Nasa und Esa starten. Doch die Mission muss wegen technischer Probleme mit Batterien verschoben werden. Die Raumsonde besteht aus einer Kapsel für die Astronauten und einem Servicemodul, in dem unter anderem Antrieb und Energieversorgung untergebracht sind. Airbus in Bremen baut das Modul, insgesamt bis zu neun, was die Kosten pro Einheit deutlich senkt. Üblich war bisher Einzelfertigung. Die Kapsel mit den Batterieschwierigkeiten kommt aus den USA. „Artemis 2“ soll jetzt voraussichtlich 2025 starten. 2026 wollen Nasa und Esa dann wieder Menschen auf den Mond zu bringen.

    NameHeinrich-Hertz-Satellit
    ArtErster programmierbarer Telekommunikationssatellit
    Größezwei mal zwei Meter, etwa fünf Meter hoch, dazu zwei Sonnensegel
    Gewicht3,45 Tonnen
    Position im Allgeostationär etwa 36.000 Kilometer über dem Äquator auf Höhe Ost-Ghanas
    Kosten (einschließlich Start)rund 370 Millionen Euro
    Geplante Lebenszeit15 Jahre
    AuftraggeberDeutsches Luft- und Raumfahrtzentrum, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium
    HerstellerOHB Bremen