Berlin. Der Konflikt ist festgefahren, die Fronten verhärtet: Welche psychischen Aspekte spielen hier eine Rolle? Eine Psychologin klärt auf.
Sachliche Argumente ertrinken hoffnungslos in einer Flut aus Emotionen, die eine verweigert schmollend das Gespräch und der andere verharrt stur auf seinem Standpunkt: Es ist mal wieder passiert, ein Konflikt hat sich festgefahren, eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht. Verhärtete Fronten können nicht nur Beziehungen zum Partner oder zur Freundin nachhaltig beeinflussen: Sie können auch den Schienenverkehr eines gesamten Landes lahmlegen.
Seit Mittwochnacht streiken die Mitarbeitenden der Deutschen Bahn – Reisende und Güter müssen seitdem auf anderen Wegen ins Ziel finden. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte zum sechstägigen Warnstreik aufgerufen, es ist der vierte und bislang längste Streik im laufenden Tarifkonflikt. Seit Ende November gab es keine Verhandlungen mehr. Neben den unterschiedlichen Interessen spielen in einem Konflikt stets auch psychische Aspekte eine Rolle.
Ob Streik oder Streit: Emotionen spielen in Konflikten immer große Rolle
„Die Vertreter der Deutschen Bahn und der GDL bringen in die Gespräche ihre eigene Persönlichkeit, ihr Gedächtnis mit – und möglicherweise ihre eigenen Ziele hinter den Zielen“, erklärt Wirtschaftspsychologin Mariella Zippert. Menschen seien nie nur Funktionäre in ihren Rollen, sondern eben auch emotionale Wesen. Gerade Konflikte mit einer langjährigen Vorgeschichte, wie der Konflikt zwischen der Bahn und der GDL, bieten Potenzial für verbrannte Erde und Verletzungen. Beispielsweise durch gewaltsame Kommunikation oder Enttäuschungen.
Es können Sätze sein, die im Gedächtnis hängen bleiben und den eigenen Wahrnehmungsfilter beeinflussen. Sätze wie „Der hat sie nicht mehr alle“, ausgesprochen vom GDL-Chef Claus Weselsky, gerichtet an Martin Seiler, den Verhandlungsführer der Deutschen Bahn. Oder Sätze wie „Die GDL verschärft den Konflikt und setzt alles ausschließlich auf Eskalation“ vom Bahnchef Richard Lutz. Das Ergebnis: Die Fronten verhärten sich, eine Rückkehr an den Verhandlungstisch – und damit die Rückkehr auf eine sachliche Ebene – rückt weiter in die Ferne.
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„Freundlichkeit wird oft als Unterlegenheit bewertet“
„Die GDL und die Bahn tun gut daran, sich immer wieder bewusst zu machen, dass sie Verhandlungspartner, und keine -gegner sind. Sie arbeiten langfristig zusammen und werden sich immer wieder begegnen und kooperieren müssen“, so Zippert. Der Schlüssel zu guter Konfliktlösung sei: eine Kommunikation auf Augenhöhe, gegenseitiges Anerkennen und Respekt. Für eine konstruktive Verhandlungsbasis sollten die Konfliktparteien laut Zippert eine kooperative Grundhaltung einnehmen, und vor allem: das Problem vom Menschen trennen, um inhaltlich und nicht gefühlsgeladen diskutieren zu können.
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Wie sich die Konfliktparteien verhalten, hänge laut der Hamburger Psychologin jedoch auch immer sehr von den Charakterzügen der Personen ab: „Eine positive Grund-Haltung und Freundlichkeit sind gesunde Voraussetzungen. Persönlichkeitsabhängig kann Freundlichkeit jedoch als Unterlegenheit oder unausgesprochene Aufforderung, die Führung zu übernehmen, interpretiert werden. Bei narzisstischen Persönlichkeiten kann das zum Beispiel vorkommen“.
Bahn-Streik: Psychologin empfiehlt mediatorische Unterstützung
Doch im Gegenteil: Der anderen Partei zuhören, Verständnis haben und dabei die eigenen Emotionen aushalten können – dies ist laut der Psychologin der mögliche Weg zu einem zufriedenstellenden Ergebnis.
Aus diesem Grund sieht Zippert eine mediatorische Unterstützung einer professionell ausgebildeten Person in dem Konflikt zwischen Bahn und GDL nicht nur als sinnvoll, sondern als notwendig. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine: Auch Verkehrsminister Volker Wissing forderte bereits die Einschaltung eines Moderators.