Essen. Wüstenrosen für deutsche Gärten, Klimabäume für die Innenstädte: Die Trends der Pflanzenmesse IPM in Essen folgen dem Klimawandel.
Es bedarf dieser Tage schon etwas Vorstellungskraft, um seine Gedanken auf den nächsten Dürresommer zu lenken. Wer das Foyer der Messe Essen betritt, eilt geradewegs zur Garderobe, um den nassen Mantel loszuwerden. Während es draußen mal wieder schüttet wie aus Kübeln, zeigen drinnen Baumschul-Lehrer und Staudenzüchter, welche Pflanzen am besten mit Trockenheit zurechtkommen. Der Klimawandel, seine Folgen für die Pflanzenwelt und innovative Lösungen sind die großen Themen auf der 40. Internationalen Pflanzenmesse (IPM). Denn die Branche ist sich einer Prognose gewiss: Der nächste Rekordsommer kommt bestimmt.
Nachhaltige Blumen, hitzeresistente Kübel- und Beetpflanzen, Klimabäume sowie technische Neuerfindungen für wasserspeichernde Böden und sparsameres Gießen sind die großen Themen dieser Weltleitmesse (23. - 26. Januar). Mehr als 1400 Ausstellerinnen und Aussteller aus 43 Ländern sind mit ihren Neuerungen nach Essen gekommen. Wie jedes Jahr passt der einmal mehr graue Januar nicht nur Blütenpracht in den Hallen, doch viel später dürfte sie auch nicht stattfinden. Denn auf dieser Fachmesse schauen und bestellen Gartenbauer, Händler und Floristen, erwartet werden mehr als 40.000 Fachbesucher. Mit dem Frühling naht die Pflanzsaison - was also hier gezeigt wird, könnte schon bald der neue Star im heimischen Garten, auf dem Balkon oder Fensterbrett sein.
Die „Hitzeprofi“-Pflanzen: Gut für heiße Sommer und Pflegemuffel
Zum Beispiel die „texanische Wüstenrose“, eine hitzeresistente Neuzüchtung des Gartenbaubetriebs Kientzler. Die Blüten leuchten in kräftigem Gelb, dem Züchter zufolge nicht nur hier und jetzt, sondern den ganzen Frühling und Sommer durch bis Oktober. Das Grün drumherum bilden nicht Blätter, sondern fleischige Nadeln, die das Wasser besser speichern. „Sie sind sehr pflegeleicht, vertragen auch große Hitze und längere Trockenheit“, verspricht Geschäftsführer Alexander Kientzler.
Sein Betrieb hat wegen der steigenden Nachfrage eine „Hitzeprofis“ getaufte Kollektion zusammengestellt, die im nächsten Dürresommer Wasser und Nerven sparen soll. Nicht alle blühen so schön wie die Wüstenrose, bekannt sind einige dunkelgrüne Pflanzen mit wenig Durst, etwa die Echeveria aus Mexiko. Die Rose „Rosy Boom“ ist wie viele andere Dauerblüher auf dieser Messe auch ein Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Ihre Blätter sind zwar auch für den Menschen genießbar, vor allem aber gefällt sie Hummeln, Bienen und Schmetterlingen. Insektenfreundliche Blumen und Sträucher sind zunehmend gefragt in den Gärten.
Weniger gießen zu müssen, ist freilich nicht nur wegen des Klimawandels ein erstrebenswertes Ziel, sondern auch eine Hilfe für weniger pflegebegabte oder eben faule Gartenfreunde. Ihnen können neben genügsamen Pflanzen auch Substrate für den Boden helfen, die ihn das Wasser besser und länger speichern lassen. Eine der vielen Neuheiten präsentiert auf der Messe das auf nachhaltigen Gartenbau spezialisierte Unternehmen GPI aus Gladbeck mit seinem 3D-Wasserspeicher.
Gießroboter fährt nachts und spart bis zu 50 Prozent Wasser
Beim Gießen selbst spart es besonders an heißen, sonnigen Sommertagen enorme Mengen an Wasser, wenn nachts gegossen wird. Sprinkleranlagen mit Zeitschaltuhren sind eine Möglichkeit auch für den privaten Garten, viele Landwirte machen das im Sommer auf ihren Feldern bereits so. Für Friedhöfe und Parks hat der Robotic-Entwickler Innok dafür einen autonomen Gießroboter entwickelt. Er fährt nachts, wenn das Wasser kaum verdunstet und spart „bis zu 50 Prozent“, erklärt die Firma auf Nachfrage. Und betont, die mit mindestens 65.000 Euro nicht eben billigen Roboter würden sich für Friedhöfe nach drei, spätestens vier Jahren rentieren. Schließlich sparen sie nicht nur Wasser, sondern auch Personal.
Für die Grünflächenämter der Städte interessant dürften die Messerundgänge für „Klimabäume“ sein, die der Bund deutscher Baumschulen anbietet. Da sich die Hitzesommer im vergangenen Jahrzehnt gehäuft haben und der fortschreitende Klimawandel das auch für die kommenden erwarten lässt, müssen die Städte dreimal überlegen, welche Bäume sie wohin pflanzen. Weniger durstige Ahornarten, Esskastanien, Winterlinden, Trompeten- und Ginkgobäume dürften in Zukunft häufiger in städtische Erde gesetzt werden als Buche und Esche.
Klimabäume für die Stadt
Der grünen Branche selbst geht es derzeit gar nicht so gut. Die Umsätze sanken im vergangenen Jahr erneut - auf 8,6 Milliarden Euro. Im ersten Corona-Jahr 2020 waren es noch 10,1 Milliarden Euro. „Das ist ein Brett“ sagt Jürgen Mertz, Präsident des Zentralverbands Gartenbau (ZVG), vor der Eröffnung der IPM. Die Leute gaben 2023 pro Kopf 102 Euro für Pflanzen und Gartenartikel aus. Besonders in den Bereichen Beet und Balkon seien die Umsätze eingebrochen. Und der Umsatzrückgang von vier Prozent erzählt auch nur die halbe Wahrheit, denn weil die Preise im Zuge der Inflation deutlich angehoben wurden, gingen die Stückzahlen der tatsächlich verkauften Pflanzen noch viel kräftiger zurück.
Mertz kritisiert mit Blick auf die Preisentwicklung die Anhebung des CO2-Preises von 30 auf 45 Euro die Tonne in diesem Jahr - das treibe die Preise weiter. Wie seine Kritik an der Klimaschutzmaßnahme zur wachsenden Bedeutung der Erderwärmung für seine Branche passe? „Unsere Pflanzen speichern auch CO₂, wir werden aber bei der Bepreisung genauso behandelt wie Industriekonzerne“, sagt Mertz. Ursprünglich sollte das mit der CO₂-Steuer eingenommene Geld für Innovationen und Förderprogramme in die Branchen zurückfließen, das habe die aktuelle Regierung aber gestrichen, betont der Verbandspräsident.