Essen. 910.000 Sozialwohnungen fehlen, Mieten kosten Jobcenter Milliarden. NRW im Ländervergleich vorn – was von der Regierung erwartet wird.

Immer mehr Wohnungen in Deutschland werden gebraucht, doch stattdessen liegt der Neubau seit anderthalb Jahren brach. Das Bündnis „Soziales Wohnen“ hat am Dienstag neue Zahlen zum Wohnungsbestand vorgelegt – und sieht sie als Beleg für das „Missmanagement des Staates“. Es fehlten hunderttausende Sozialwohnungen. Nordrhein-Westfalen hingegen schneidet im Ländervergleich gut ab, wobei die Gewerkschaft IG BAU von der schwarz-grünen Landesregierung unter anderem fordert, den „ordentlichen Bestand“ weiter auszubauen.

Das Bündnis „Soziales Wohnen“ besteht aus dem Deutschen Mieterbund (DMB), der IG BAU sowie der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) und zwei Verbänden der Bauwirtschaft. Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil einer Studie, die das Eduard Pestel Institut aus Hannover durchführte.

400.000 Neubauten sollten jährlich entstehen, hatte die Ampel-Koalition angekündigt. Die Zahlen von 2023 zeigen: Lediglich 269.000 Wohnungen sind es tatsächlich geworden. Laut einer Prognose des Pestel Institutes sei ein weiterer Rückgang im Jahr 2024 zu erwarten. Der negative Trend ist auch im Bereich der Sozialwohnungen zu erkennen und kostet: „Die von den Job-Centern getragenen Kosten der Unterkünfte dürften im Jahr 2023 erstmals 20 Milliarden Euro überschreiten“, heißt es vom Pestel Institut. 15 Milliarden werden für die Miete aufgewendet, fünf Milliarden für das Wohngeld.

In NRW und Hamburg fehlen die wenigsten Sozialwohnungen – einen erheblichen Mangel gibt es dennoch. (Archivbild)
In NRW und Hamburg fehlen die wenigsten Sozialwohnungen – einen erheblichen Mangel gibt es dennoch. (Archivbild) © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

910.000 Sozialwohnungen benötigt – NRW sticht im Ländervergleich hervor

Um den Bedarf zu decken, seien mindestens zwei Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 notwendig. Aktuell ist der Mangel groß: Knapp 910.000 Wohneinheiten fehlen. Gedacht seien diese Wohnung für bedürftige Haushalte, die sich am Markt nicht mit Wohnraum versorgen können, so Matthias Günther vom Pestel Institut. Diese Gruppen seien von der Knappheit und der daraus resultierenden Ausgrenzung besonders stark betroffen.

Kritik gibt es an der Vorgehensweise des Staates, der wenig eigenen Wohnraum schaffe und dadurch gezwungen sei, stetig steigende Mietpreise auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren. „Dabei zahlt er sogar Mieten, die oft deutlich über der Durchschnittsmiete liegen“, erklärt Günther und fügt hinzu: „Am Ende profitieren davon allerdings vor allem die Vermieter.“

Verglichen mit anderen Bundesländern habe Nordrhein-Westfalen einen „ordentlichen Bestand“ an sozialem Wohnraum, bestätigt Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU. Im Ländervergleich steht NRW (Bestand 2023: 425.025) mit 4175 Sozialwohnungen am besten da. Gefolgt von Hamburg (81.006), wo 4694 Einheiten fehlen. Im Süden Deutschlands ist der Mangel am größten: 205.813 Sozialwohnungen werden in Baden-Württemberg zusätzlich gebraucht, 195.071 in Bayern. Sozialwohnungen im Saarland seien „praktisch nicht mehr existent“, hebt Günther hervor. Die komplette Übersicht:

BundeslandBestandBedarfDifferenz
Schleswig-Holtstein46.72763.700-16.973
Hamburg81.00685.700-4694
Niedersachsen52.601161.300-108.699
Bremen705517.300-10.245
Nordrhein-Westfalen435.025439.200-4175
Hessen82.172163.100-80.928
Rheinland-Pfalz39.21367.500-28.287
Baden-Württemberg52.287258.100-205.813
Bayern133.129328.200-195.071
Saarland75913.800-13.041
Berlin104.757236.100-131.343
Brandenburg19.81333.300-13.487
Mecklenburg-Vorpommern269120.900-18.209
Sachsen12.54160.400-47.859
Sachsen-Anhalt507026.600-21.530
Thüringen12.72524.800-12.075
Insgesamt1.087.5712.000.000-912.429

Auf Nachfrage unserer Redaktion forderte Gewerkschaftschef Feiger von der NRW-Landesregierung, bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus nachzulegen und den Bestand weiter auszubauen. „Auch einer schwarz-grünen Regierung steht es gut an, an der Spitze zu stehen.“ Institutsleiter Günther ergänzt: „Trotzdem fehlen auch da Wohnungen.“ Westdeutschland habe generell, abseits der Sozialwohnungen, starke Wohnungsdefizite.

Bündnis fordert 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau

Das Bündnis „Soziales Wohnen“ sieht eine zentrale Lösung für die Wohnungsnot in Deutschland: Sie fordern „umgehend“ 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. Die Ausgaben von Bund und Ländern hätten zuletzt lediglich bei vier Milliarden Euro im Jahr gelegen, heißt es in der Studie. Daraus ergibt sich ein „deutliches Missverhältnis“ zwischen Sozialausgaben und Wohnungsbauförderung. Das Bündnis betont: „Wir stellen nicht die Sozialleistungen und Wohngeld infrage. Wir rechnen aus, was für den Staat am günstigsten ist.“ Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel, fügt hinzu: „Wohngeld und Kosten der Unterkunft schaffen keine einzige Wohnung.“