Essen. Aldi Nord und Einzelhandel beklagen lange Wartezeiten beim Anschluss von Solaranlagen. So reagieren Stadtwerke auf die Vorwürfe.
Mit der sogenannten Solarpflicht auf Dächern von Gebäuden wollen Bund und Länder die Klimawende beschleunigen. Davon betroffen sind auch Unternehmen wie Aldi. Der Handelsverband Deutschland schlägt nun Alarm, weil es zu erheblichen Verzögerungen beim Anschluss von neuen Photovoltaik-Anlagen auf Supermärkten und Discountern komme. Was die Einzelhändler den Stadtwerken konkret vorwerfen.
Bei Aldi Nord in Essen nehmen sie den Appell der Politik ernst, die Erzeugung erneuerbarer Energie zu befördern. Der Discounter hat nach eigenen Angaben bereits Solaranlagen auf mehr als 650 Dächern seiner 2200 Filialen in Deutschland installiert, um eigenen Ökostrom zu produzieren. Im kommenden Jahr sollen nach Angaben des Unternehmens 80 bis 100 Märkte dazu kommen. Bis Ende des neuen Jahres will Aldi Nord überdies weit über 1000 Schnellladepunkte auf eigenen Parkplätzen, an denen Elektroautos während des Einkaufs tanken können, am Start haben.
Aldi Nord kritisiert lange Genehmigungsverfahren
Doch in der Essener Konzernzentrale werden zunehmend Enttäuschung und Unmut laut, weil es trotz der eigenen Investitionsbereitschaft immer schwerer werde, die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Fachleute bei Aldi klagen über „lange und komplizierte Genehmigungsverfahren“, die die Ausbauziele bei Photovoltaik und Ladepunkten unnötig erschwerten. Um die Solaranlagen ans Netz anzuschließen, müsse der Discounter oftmals zwölf Monate und länger auf die erforderliche Genehmigung warten. Bei Aldi schüttelt man den Kopf, dass in dieser Zeit die längst installierten Photovoltaik-Anlagen keinen Sonnenstrom produzieren und Kundinnen und Kunden an den Ladepunkten nicht tanken können.
Dem Discounter aus dem Ruhrgebiet geht es aber bei weitem nicht allein so. „Es gibt erhebliche Schwierigkeiten mit den Netzanschlüssen. Der Einzelhandel hat große Probleme damit, Photovoltaik-Anlagen auf seinen Dächern und Ladepunkte auf seinen Parkflächen an das Netz angeschlossen zu bekommen“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Die Organisation spricht für bundesweit 300.000 Unternehmen und mehr als drei Millionen Beschäftigte.
Solarpflicht ab 2024 in NRW
Die gesamte Branche, schimpft Genth, habe „mit massiven Verzögerungen bei der Bearbeitung der Netzanschlussanfragen“ zu kämpfen. Laut HDE haben es die investierenden Händler republikweit mit rund 900 Verteilnetzbetreibern zu tun. Dahinter verbergen sich meist Stadtwerke, die die lokalen Stromnetze betreuen. „Immer häufiger verweigern sich Verteilnetzbetreiber einem Netzanschluss komplett und verweisen auf mangelnde Netzkapazitäten“, wundert sich Verbandsgeschäftsführer Genth und erinnert daran, dass es unter anderem in Nordrhein-Westfalen eine gesetzlich verordnete Solarpflicht für Nichtwohngebäude ab 2024 gebe.
„Der Einzelhandel wird vom Gesetzgeber aufgrund seiner Dach- und Parkflächen zum Ausbau von Photovoltaikanlagen und Ladeinfrastruktur verpflichtet, kann aber wegen von den Verteilnetzbetreibern verursachten Verzögerungen nicht rechtzeitig liefern“, beschreibt der HDE-Chef den Widerspruch und schüttelt den Kopf, dass Einzelhändler nun auch noch Bußgelder zahlen sollen, weil die nicht genehmigten Anlagen keinen Strom liefern.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür
Bei den Verteilnetzbetreibern ist das Problem durchaus bekannt. „Aktuell liegt die Bearbeitungszeit bei rund zwei Monaten. In Einzelfällen und bei vom Standard abweichenden Anlagen kann sich diese Bearbeitungsdauer verlängern“, erklärt ein Sprecher der Stadtwerke Duisburg auf Anfrage. Große Anlagen erforderten einen erhöhten Prüfaufwand. Die Duisburger Stadtwerke räumen ein, dass es aktuell ein „enormes Anfrage- und Anmeldeaufkommen“ gebe, das zu Bearbeitungszeiten führe, die länger dauerten als üblich. Der Sprecher verweist allerdings auch darauf, dass „nicht alle Anträge vollumfänglich sind und hier nachträgliche, zeitaufwändige Korrekturen erforderlich“ seien. Auf ihrer Internetseite haben die Stadtwerke Duisburg deshalb eine Übersicht mit allen nötigen Antragsunterlagen veröffentlicht.
Stadtwerke Dortmund: Keine Anfrage abgelehnt
Die Dortmunder Netz GmbH, die zu den Stadtwerken gehört, unterstreicht, dass es in der größten Ruhrgebietskommune „grundsätzlich ausreichend Netzkapazitäten“ gebe und „bisher keine Anfrage abgelehnt werden“ musste. „Dennoch gilt: Je eher solche Anschlüsse angefragt werden, desto besser. Denn auch wir müssen in den Netzausbau und die Netzverstärkung investieren und je eher wir von solchen Anschlussplänen wissen, desto besser können wir diese in unseren Plänen berücksichtigen und sicherstellen, dass ausreichend Netzkapazität vorhanden ist“, sagt eine Sprecherin.
Die Unübersichtlichkeit aber bleibt. So gibt es in NRW bereits eine Solarpflicht für Parkplätze mit mindestens 35 Parkplätzen, für die der Bauantrag ab dem 1. Januar 2022 gestellt wurde. Mit dem Jahreswechsel schreibt die schwarz-grün Landesregierung vor, alle neu gebauten gewerblichen Immobilien mit Solardächern auszustatten. Ab 2025 soll sie auch für Wohngebäude und ab 2026 bei umfassenden Dachsanierungen gelten. In den Nachbarländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gelten Regeln mit anderen Nuancen.