Berlin. Nach der Insolvenz von Signa bangen Beschäftigte von Galeria um Jobs und Städte um die Warenhäuser. Ein Experte macht wenig Hoffnung.

Hält der Warenhauskonzern Galeria nach der Insolvenz des Mutterkonzerns Signa durch? Handelsexperten bezweifeln das. Im Interview spricht Johannes Berentzen (44) von der BBE Handelsberatung über Aussichten für die Kaufhäuser, Handlungsfelder für betroffene Städte und Chancen für die Beschäftigten.

Herr Berentzen, es sieht so aus, als ob das Signa-Reich wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Wann ist die deutsche Kaufhaus-Tochter Galeria dran?

Johannes Berentzen: Ich glaube, dass die Liquidität, die jetzt durch das Weihnachtsgeschäft zufließt, noch ein paar Monate trägt. Ab dem Frühjahr sieht es finsterer aus. Und dann halte ich eine Insolvenzanmeldung für unumgänglich. Danach droht ein Verkauf oder eine Zerschlagung. Damit ginge dann ganz sicher auch eine weitere deutliche Reduzierung des Filialnetzes einher.

Sehen Sie eine Möglichkeit für Galeria, aus sich selbst heraus die Sanierung zu schaffen?

Das halte ich für ausgeschlossen. Die Kostenseite ist ja bereits saniert. Man hat Mieten gesenkt, Personal eingespart, sich von unprofitablen Standorten verabschiedet. Mit Blick auf eine Sanierung ist man am Limit. Was man bräuchte, wäre mehr Ertrag.

Halten Sie Warenhäuser an sich noch für zukunftsfähig?

Nicht überall und schon gar nicht so wie jetzt. Wer viel Ware an einem Ort zu einem günstigen Preis will, geht heute zu Amazon, nicht zu Galeria.

Was müsste sich ändern?

Es muss darum gehen, ein Erlebnis für den Kunden zu schaffen. Das sind nicht Waren in Regalen, sondern Welten, in die der Konsument einsteigt. Dazu gehört eine andere Präsentation, mehr Service, gute Beratung und vielfältige Nutzungen der Flächen. Man muss Aufenthaltsqualität schaffen mit hochwertiger Gastronomie, Berührungspunkte mit Marken kreieren, sie inszenieren und zum Event machen. Um so ein Konzept wirtschaftlich tragfähig zu machen, braucht man trotzdem viele Menschen. Große Warenhäuser halte ich deshalb nur noch in den zehn größten deutschen Städten für denkbar.

Nach bereits erfolgten Schließungen soll es ab Januar noch 92 Galeria-Häuser geben. Warum ist es bisher nicht gelungen, das Geschäft zukunftsfähig aufzustellen? Schließlich hatte man doch einen großen Konzern im Rücken. Zudem waren gut 700 Millionen Euro Hilfsgelder der Bundesregierung geflossen.

Das müssen Sie die Verantwortlichen fragen. Ich jedenfalls kann nicht erkennen, dass das Geld ausreichend in das Konzept investiert worden ist. Vielleicht wurden damit Löcher gestopft oder Kredite bedient.

Glauben Sie der Staat springt Galeria erneut rettend zur Seite, um eine Zerschlagung zu verhindern?

Das hoffe ich nicht und kann es mir in der Lage auch nicht vorstellen. Das könnte man dem Steuerzahler auch gar nicht mehr vermitteln. Ohnehin ist es aus meiner Sicht angesichts der jetzigen Haushaltslage unwahrscheinlich, dass man noch irgendwo eine Milliarde Euro für Galeria auftreiben kann.

Wer könnte Galeria denn dann helfen?

Vor ein paar Jahren hätte ich noch auf einen Finanzinvestor getippt. Aber in der jetzigen Zinslage sind große Investitionen einfach unattraktiv. Zudem gibt es kein Konzept. Ich sehe da keinen Investor, der mal eben den Rettungsanker auswerfen wird.

Welche Variante halten Sie für wahrscheinlich, sollte Galeria bald gezwungen sein, Insolvenz anmelden zu müssen?

Ich gehe davon aus, dass es unter dem bisherigen Galeria-Dach nicht weitergehen kann. Das heißt für mich, dass es möglicherweise Filetstücke in den größeren Städten gibt, die überleben können. Aber in vielen kleineren Städten, wo einfach nicht genügend Frequenz für ein über vier oder fünf Stockwerke gehendes Kaufhaus ist, gehen die Lichter in den Häusern aus.

Halten Sie die Marke Galeria für überlebensfähig?

Auch wenn es schade ist, aber ich glaube nicht daran, dass ein möglicher neuer Investor die Marke weiterführen wird. Nach dann drei beziehungsweise zwei Insolvenzverfahren muss eine konsequente Neuausrichtung her. Auch, wenn damit wieder ein Stück deutscher Kaufhausgeschichte zu Ende gehen würde.

Vielen der 13.800 Beschäftigten droht erneut der Job-Verlust. Welche Perspektiven sehen Sie für sie?

Viele Unternehmen, die wir beraten, suchen händeringend nach Personal. Es gibt Fleischereifachverkäuferinnen, die per Headhunter abgeworben werden. Wir befinden uns in einem absoluten Arbeitnehmermarkt. Gute Perspektiven gäbe es für die heutigen Galeria-Beschäftigten nicht nur im Handel, sondern auch in der Gastronomie oder Hotellerie. Mein Wunsch wäre, dass viele in einer Branche unterkommen, in der sie weniger bangen müssen als in den letzten Jahren.

Johannes Berentzen ist ​geschäftsführender Gesellschafter der BBE Handelsberatung GmbH, die zahlreiche Händler und Filialisten unterstützt. Die Warenhauskette Galeria gehört nicht zu den Kunden des Unternehmens.
  
Johannes Berentzen ist ​geschäftsführender Gesellschafter der BBE Handelsberatung GmbH, die zahlreiche Händler und Filialisten unterstützt. Die Warenhauskette Galeria gehört nicht zu den Kunden des Unternehmens.    © Quirin Leppert | Quirin Leppert

Für viele Städte dürfte ein Verlust der großen Warenhäuser aber dramatisch sein. Der Deutsche Städtetag hat gefordert, bei Gesprächen rund um die Zukunft von Galeria mit am Tisch zu sitzen. Halten Sie das für eine gute Idee?

Dem stimme ich zu. Alles, was an den Standorten passiert, muss immer in einem Triumvirat aus Kommune, Vermieter und Mieter entschieden werden. Allein schon deswegen, weil die Kommune ja einen ganz wesentlichen Einfluss darauf haben kann, was da passiert und sie natürlich ein Eigeninteresse hat, die Innenstadt vital zu halten. Die Stadt sollte deshalb unbedingt eine aktive Rolle einnehmen, aber nicht versuchen, der bessere Händler zu sein. Konkret muss es für die Stadtverwaltungen darum gehen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Handel möglich ist. Und man muss sich von dem Gedanken verabschieden, reine Warenhäuser erhalten zu können. In Filialen, die bereits in den letzten Jahren geschlossen wurden, sind fast ausschließlich Mischkonzepte umgesetzt worden.

Was hieße ein Schließen großer Warenhäuser für angrenzende Händler?

Zunächst einmal geht bei einem Aus für ein solches Haus viel Frequenz verloren. Für Geschäfte im Umfeld ist das Risiko und Chance zugleich. Denn es werden ja auch Umsatzpotenziale frei. Da ist dann unternehmerisches Denken gefragt. Sich nur dem Schicksal zu ergeben, wäre das Schlimmste, was man machen könnte.