Berlin. Der Immobilienkonzern Signa steht vor dem Zusammenbruch, René Benko hat sich verkalkuliert. Es ist das Ende einer Traumkarriere.

Hoch geflogen, tief gefallen: Signa, der Immobilienkonzern des österreichischen Milliardärs René Benko, steht vor dem Zusammenbruch. Am Mittwoch hat die Signa Holding GmbH ein Insolvenzverfahren angekündigt. Einer Mitteilung zufolge soll beim Handelsgericht Wien die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung beantragt werden. Für den erfolgsverwöhnten Benko, der als Schulabbrecher zu einem der reichsten Österreicher emporstieg und jetzt einen tiefen Absturz erlebt, ist es das Ende eines großen Traums.

Um den Weg doch noch frei für eine Sanierung zu machen, hatte Benko noch Anfang November erklärt, den Vorsitz im Beirat der Signa-Holding abzugeben. Andere sagen, Benko wurde weggeputscht von denen, die ihm jahrelang Millionen anvertrauten. Der Machtverlust als letzte Hoffnung für die Rettung? Formal ja, aber wohl zu spät. Beobachter gingen ohnehin davon aus, dass der umtriebige Österreicher weiter mitmischen würde. Die Aufräumarbeiten an sich sollte aber der erfahrene Sanierer Arndt Geywitz übernehmen.

Denn Signa war in schweres wirtschaftliches Fahrwasser geraten. Allein die über allem stehende Signa Holding hatte nach internen Zahlen im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro Verlust gemacht, insgesamt lasten Verbindlichkeiten auf der Holding von gut zwei Milliarden Euro. 1,3 Milliarden davon sollten bis Ende dieses Jahres fällig sein. Nun die Insolvenz der Signa-Dachgesellschaft. Mehrere Tochterfirmen dürften folgen. In der Signa Real Estate Management Germany GmbH hatte bereits in der vergangenen Woche ein deutscher Ableger den Gang zum Insolvenzrichter angetreten. Wie konnte es so weit kommen?

René Benko: Seine Signa-Holding hat Milliardenschulden

Benko hatte eigentlich ein System etabliert, das perfekt zu funktionieren schien: Mit geliehenem Geld unterbewertete und Grundstücke in den Toplagen großer Städte kaufen, später renovieren, abreißen, neu bauen und schließlich zu höheren Preisen vermieten oder abstoßen. Signa konnte sich so über zwei Jahrzehnte ein beeindruckendes Portfolio aufbauen, das Angaben der Firmenhomepage zufolge einen Wert von rund 27 Milliarden Euro hat. Das Reich des Österreichers aber gilt als verschlungen. Selbst Insider steigen mitunter aus, sagen, der Einzige, der da noch durchblicke, sei Benko selbst.

Es gibt Dutzende Firmen und Unterfirmen und Unter-Unterfirmen. Hinzu kommen Investoren und andere Teilhaber. Um alle Ansprüche und auch Kreditzahlungen leisten zu können, braucht Benko eigentlich immer wieder frisches Geld und neue Projekte. Doch das Spiel, alte Schulden mit neuen zu bedienen, ging zuletzt nicht mehr auf. Vor allem die rasant gestiegenen Zinsen vereitelten Benkos Geschäftsplan. Hinzu kommen die seit dem Beginn des Ukraine-Krieges gestiegenen Bau- und Energiekosten.

René Benko pflegte auch zu Politikern ein Netzwerk. Hier mit dem früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz.
René Benko pflegte auch zu Politikern ein Netzwerk. Hier mit dem früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz. © picture alliance / HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com | Hans Klaus Techt

Benko sagte einmal, Banken finanzierten sehr gerne seine Projekte, weil er „einzigartige Werte“ in „unwiederbringlichen Lagen“ schaffe. Doch nun ist das Vertrauen ist weg. Für den Österreicher dürfte das ein ungewohntes Gefühl sein. Früher erzählte er gern die Geschichte vom fleißigen Jungunternehmer. „Man muss wahnsinnig viel Zeit investieren, das Gespür und Geschick eines geborenen Unternehmers haben, über Jahre ein Netzwerk aufbauen. Um aus diesem Talent Erfolg zu machen, ist viel Einsatz und Konsequenz nötig“, sagte Benko 2008 mit 31 Jahren der österreichischen Zeitung „Die Presse“.

René Benko: Tankstellen-Erbe half bei Investoren-Karriere

Geschäftspartner, die mit Benko zusammenarbeiteten, seien stets von seinem Detailwissen beeindruckt gewesen, heißt es. Er kannte sie bestens, die Immobilien, in die er sein Geld investiert – oder besser das Geld anderer, vermögender Leute. Denn zu einem der Erfolgsgeheimnisse Benkos gehörte es bislang auch, Menschen für seine Ideen zu begeistern. Benkos Imperium lebte von reichen Geldgebern. Je erfolgreicher er wurde, desto größer wurde sein Netzwerk: Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne, der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking oder der Managementberater Roland Berger zählten zu Benkos Geldgebern.

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Dabei war der finanzielle Erfolg für den Österreicher zunächst nicht vorgezeichnet. Benko, geboren am 20. Mai 1977 als Sohn eines Beamten in Innsbruck, verließ mit 17 Jahren ohne Abschluss das Wirtschaftsgymnasium. Er soll zu viele Fehlstunden angesammelt haben, weil er einem Freund dabei half, marode Dachböden in Luxuswohnungen zu verwandeln. Als er den Tankstellen-Erben Karl Kovarik kennenlernte, baute er das Geschäft aus. Zunächst konzentrierte er sich auf den Bau von Ärztezentren. Sein Geschäftsmodell verfeinerte Benko immer weiter, aber im Kern bliebt es immer gleich: Benko sammelte von Investoren viel Geld ein und steckte es in Immobilien.

René Benko mit seiner zweiten Ehefrau Nathalie im Jahr 2020 in Kitzbühel.
René Benko mit seiner zweiten Ehefrau Nathalie im Jahr 2020 in Kitzbühel. © Getty Images | Klaus Pressberger

Die Investoren glaubten seine Geschichten, weil sie am großen Immobilienpoker mitverdienen wollten. Und Benko wusste, zu überzeugen. Geschäftspartner und die die es werden sollten, lud er gerne ein: auf seine Jacht in den Hafen von Nizza, in sein Jagdrevier in die Steiermark oder das „Chalet-N“, ein herrschaftliches Bergchalet in Oberlech. Das Domizil hatte Benko nach seiner Frau Natalie benannt, mit der er drei Kinder hat. Von seiner ersten Frau, die auch die Mutter seiner ersten Tochter ist, wurde Benko 2005 geschieden. Sein Privatleben versucht er so gut es geht, geheim zu halten.

Signa-Baustellen stehen seit bekannt gewordener Schieflage still

Deutlich sichtbar ist hingegen das, womit Benko Geschäfte machte: Er baute das Goldene Quartier in der Wiener Innenstadt, bevor andere auf Luxusshopping setzten, war er an dem New Yorker Chrysler Building beteiligt und am Londoner Luxuskaufhaus Selfridges. Heute gehören Signa auch Anteile an deutschen Luxus-Kaufhäusern wie dem Berliner KaDeWe, dem Oberpollinger in München und dem Hamburger Alsterhaus. In nahezu jeder deutschen Großstadt wurde zuletzt für Benkos Signa Gruppe geschweißt und gehämmert: Am Rande der Hamburger Hafencity ragt das Skelett des Elbtowers in die Höhe, am Alexanderplatz ist eine Kaufhausimmobilie in Baugerüste eingepackt, auch am Düsseldorfer Carsch-Haus stehen Signa-Kräne.

Die Elbtower-Baustelle in Hamburg: Der Wolkenkratzer soll mit 244,80 Meter Höhe das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden. Zur Zeit besteht wegen Zahlungsschwierigkeiten ein Baustopp.
Die Elbtower-Baustelle in Hamburg: Der Wolkenkratzer soll mit 244,80 Meter Höhe das dritthöchste Hochhaus Deutschlands werden. Zur Zeit besteht wegen Zahlungsschwierigkeiten ein Baustopp. © picture alliance/dpa | Markus Scholz

Doch nach der bekanntgewordenen Schieflage bei Signa stocken die Projekte, weil Zahlungen eingestellt wurden. Einer größeren Öffentlichkeit wurde Benko bekannt, als Signa 2013 erst die traditionsreichen Karstadt-Warenhäuser und 2018 auch Galeria Kaufhof übernahm. Mittlerweile ist klar: Den Warenhauskonzern, den Signa aus den beiden Unternehmen geschmiedet hat, ist nicht nur das Herz vieler deutscher Innenstädte, sondern auch ein Fass ohne Boden. Deutsche Steuerzahler hat das bereits mehrere Hundert Millionen Euro gekostet. Die Stabilisierung der Kaufhäuser scheiterte dennoch, viele Häuser mussten bereits schließen.

Weil er sich über die Deals auch Immobilien in vielversprechenden Lagen gesichert hat, saß Benko zuletzt auch bei vielen stadtentwicklungspolitischen Projekten mit am Tisch. In Berlin ließ sich 2020 der damalige Senat um den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) dazu hinreißen, einen „Letter of Intent“ zu unterschreiben, der Signa Baurecht für Großprojekte am Hermannplatz, am Alexanderplatz sowie am Kurfürstendamm zusicherte. Der Konzern versprach dafür im Gegenzug die Arbeitsplätze an vier Standorten von Galeria mindestens zehn Jahre zu erhalten.

René Benko wollte mithelfen, Signa aus der Schieflage zu befreien

Nach einem erneuten Insolvenzverfahren für Galeria Karstadt Kaufhof ist die Vereinbarung jedoch längst hinfällig. Fraglich ist angesichts der aktuellen Lage auch, ob sich Signa an Finanzierungszusagen für die Warenhäuser halten kann. Insgesamt wollte man der Warenhauskette über die nächsten Jahre 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, 30 Millionen Euro würden im nächsten März fällig gewesen. Hinter den Zahlungen stehen nun angesichts der Krise bei Signa Fragezeichen.

René Benko, der über seine Beteiligungen an der „Ostthüringischen Zeitung“ und der österreichischen „Krone“ auch ein Geschäftspartner der FUNKE Mediengruppe ist, schien bis zuletzt weiter an die Zukunft seines Unternehmens zu glauben. „Das Immobilienportfolio von Signa ist und bleibt einzigartig. Ich bin absolut sicher, dass das Unternehmen eine sehr gute Zukunft haben kann“, ließ er sich noch in der Anfang November versandten Pressemitteilung zitieren. Und der Geschäftsmann wollte dabei sogar noch mithelfen: „Alle Stakeholder sind gefordert, Signa jetzt zu unterstützen. Ich bin dazu bereit.“