Bad Driburg. In Bad Driburg finden die 11. Windenergietage des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW statt. Von Goldgräberstimmung will aber niemand reden.
Auf dem Parkplatz des Gräflichen Parks in Bad Driburg stehen am Donnerstag viele Elektroautos, vorzugsweise der Marke Tesla. Gut gelaunt marschieren Gruppen von Herstellern und Betreibern von Windenergieanlagen durch den Regen zum Hotel. Es ist das elfte Treffen der Branche bei den „Windenergietagen NRW“ des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE). Mit einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen hat das Land Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Monaten für mehr Flexibilität beim Ausbau von Flächen für Windkraftanlagen gesorgt. Die Solarbranche boomt, noch nie wurde von Januar bis November so viel Windenergieleistung in Nordrhein-Westfalen genehmigt wie in diesem Jahr. Im Länder-Ranking liegt NRW in Deutschland auf Platz drei. Hier gingen in diesem Jahr 100 neue Windräder in Betrieb.
„Die Stimmung ist gut“
Goldgräberstimmung beim Branchentreffen in Ostwestfalen? Davon will Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW, nichts wissen: „Das ist mir zu negativ besetzt“, sagt er. „Aber die Stimmung ist gut.“ Man könne gar von Aufbruchstimmung sprechen.
Lob für die Arbeit der Landesregierung
Hans-Josef Vogel, der ehemalige Präsident des Regierungsbezirks Arnsberg, weist in seiner Eröffnungsrede auf das heißeste Jahr seit wohl 125.000 Jahren hin. Der Klimawandel schreite schneller voran als von den Wissenschaftlern prognostiziert. Deshalb sei er froh, dass die Landesregierung unter Hendrik Wüst (CDU) so vehement auf erneuerbare Energien setze und sich politisch-strategisch für die Windenergie neu aufgestellt habe. Er nennt als Beispiel vor allem eine Entscheidung der Landesregierung, die jetzt auch Flächennutzung für Windkraftanlagen in Industrie- und Gewerbegebieten erlaube. Da könne der Windstrom gleich vor Ort genutzt werden.
Die Arbeit der Landesregierung wird von Hans-Josef Vogel gelobt, Sorgen bereiten ihm hingegen so manche Kommunen. Trotz Vorgaben des Landes, die bei den Genehmigungsverfahren eine flexiblere Handhabung ermöglichen, würden noch zu viele mittlere Behörden neue Windkraftanlagen ausbremsen. Der Bürokratieaufwand müsse weiter reduziert werden. Von Kommune zu Kommune unterscheide sich die Verfahrensdauer, „manchmal bis zu einem Jahr“. Da müsse ein Umdenken stattfinden. Bis zur Ausschreibung und dem Bau eines Windrads dauere es immer noch zu viele Monate. Damit es landesweit mehr neue Windenergieanlagen gibt, muss nach seiner Einschätzung das Tempo bei den Genehmigungen deutlich erhöht werden. Insgesamt komme der Ausbau von Windrädern, so Hans-Josef Vogel, bundesweit aber voran. In Nordrhein-Westfalen sollen es 180 jährlich werden, bisher seien es 100.
Ein Heimspiel für Mona Neubaur
Mona Neubaur (Grüne), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, hat an diesem Tag in Bad Driburg ein Heimspiel vor der Windenergie-Branche. Sie spricht von Verbündeten „in der Sache“. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zum Klimafonds fehlten der Ampelregierung 60 Milliarden Euro. Nicht nur die Bundesregierung, sagt Mona Neubaur, habe dadurch beim Transformationsprozess ein Finanzierungsproblem.
Mona Neubaurs Rede, ein Plädoyer für die Windkraft, kommt bei den Vertretern der Branche gut an. Die Ministerin geht aber auch auf die Windkraftgegner ein – und bleibt mit Blick auf eine lebenswerte Welt für nachfolgende Generationen hart: „Es gibt nun einmal kein Anrecht auf ein Panorama ohne Windenergie.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien bleibe das wichtigste wirtschaftliche Thema in Nordrhein-Westfalen. „Und wir bekommen das mit dem Naturschutz hin“, fügt sie hinzu.
Seitenhieb auf Markus Söder
Die Ministerin ist stolz darauf, dass Nordrhein-Westfalen die meisten Genehmigungsverfahren aller Länder vorweist. Ganz in ihrem Element verzichtet sie nicht auf einen Seitenhieb auf den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der zur Stromversorgung und im Kampf gegen den Klimawandel wieder Kernkraftwerke ins Spiel gebracht hat. Söder hatte im April angekündigt, in Bayern einen Reaktor in Eigenverantwortung weiterzubetreiben - und war auf massive Kritik gestoßen.
Mit der Änderung des Landesentwicklungsplans, den Neuerungen in der Landesbauordnung, dem Bürgerenergiegesetz und dem Artenschutzleitfaden seien auf Landesebene zahlreiche gesetzliche Regelungen in Arbeit, die die Zukunft der Windenergie in Nordrhein-Westfalen langfristig massiv positiv beeinflussten, berichtet Mona Neubaur. Der Ausbau erneuerbarer Energie sei mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine auch ein Garant für Freiheit, Sicherheit und Unabhängigkeit.
Auch Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW, will an diesem Tag in Ostwestfalen, wo er rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie rund 40 Aussteller begrüßen konnte, weder von Goldgräberstimmung noch von einer Zeitenwende für die Branche sprechen. Er sieht aber bessere Tage auf alle zukommen.