Berlin. Tierarzt ist ein sinnstiftender Beruf. Doch es gibt Probleme beim Nachwuchs – und das liegt auch an den Besitzern tierischer Patienten.
Im Kindesalter ist es für manche Mädchen oder Jungen noch ein Traumberuf. Sich als Tierärztin oder Tierarzt um die geliebten Vierbeiner zu kümmern – und sie durch Fachkompetenz wieder gesund zu machen. Nachwuchs kann der Berufsstand auch dringend gebrauchen, denn Arbeit gäbe es genug. Doch in Deutschland droht vielerorts ein Mangel an Tierärzten.
Der Bundesverband praktizierender Tierärzte warnt bereits davor, dass die flächendeckende Versorgung von Katzen, Hunden, Pferden, Ponys, Kühen und Schweinen in Gefahr geraten könnte. „Viele tierärztliche Kliniken geben die 24/7-Versorgung auf“, sagt Ursula von Einem, Sprecherin des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte. Für die Tierbesitzer bedeutet dies deutlich längere Wege insbesondere im ländlichen Raum. Was läuft in der Branche schief?
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Tiermediziner ist eigentlich ein erfüllender und sinnstiftender Job – schließlich heilt und rettet man Lebewesen. In der Praxis ist es jedoch oft Knochenarbeit. Die Arbeitsbelastung ist hoch. 2022 lebten in deutschen Haushalten insgesamt 34,4 Millionen Haustiere, so viel wie wohl noch nie zuvor. 2010 waren es nur 22 Millionen. In fast jedem zweiten Haushalt (46 Prozent) und der Mehrheit der Familien (67 Prozent) lebt ein Tier – davon 15,2 Millionen Katzen, 10,6 Millionen Hunde und 4,9 Millionen Kleintiere wie Hamster oder Kaninchen.
Tierärzte: Mittelmäßige Bezahlung und Stress
Die Behandlung ist dabei nicht immer ungefährlich: Tierischen Patienten können schon mal ihre Krallen ausfahren, bellen, auskeilen oder beißen. Fehler dürfen nicht passieren, denn das kann Leben kosten. Die Bezahlung ist im Vergleich zu anderen akademischen Berufen eher gering. Das Anfangsgehalt liegt bei 3.500 Euro brutto im Monat.
Grundsätzlich mangelt es nicht an Nachwuchs. Im Jahr 2020 haben hierzulande rund 1500 Studierende einen entsprechenden Abschluss gemacht, so viele wie lange nicht mehr. Dennoch gibt es ein Problem: Viele Akademiker in der Tiermedizin wollen nicht mehr Vollzeit arbeiten. Auch wollen viele keine eigene Praxis eröffnen, sondern sind lieber angestellt. So hat sich die Zahl der angestellten Tierärzte 2022 auf rund 47,6 Prozent erhöht – das sind elf Prozent mehr als vor zehn Jahren.
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Noch stärker als in anderen Berufen ist Teilzeitarbeit Trend. Zudem sind in der Tiermedizin Frauen in der Mehrheit – sie machen in den jüngeren Jahrgängen 80 Prozent aus. Und nach wie vor sind es vor allem Mütter, die in Teilzeit gehen, um sich um die Kinder zu kümmern.
„Es fehlt nicht an Tierärzten, aber an Arbeitsstunden“, so Verbandssprecherin Ursula von Einem. Bundesweit gibt es laut Bundestierärztekammer 44.618 Tierärzte, davon befinden sich rund 6,6 Prozent in Elternzeit oder üben den Beruf nicht aus.
Viele ältere Tierärzte gehen in Rente
Eine Erreichbarkeit von 24 Stunden an 7 Tagen wollen viele Absolventen erst recht nicht mehr bieten. Aber wer kümmert sich dann um die Kühe, Schweine und Hühner auf den Bauernhöfen? Tierärzte auf dem Land müssen bei Wind und Wetter raus, weite Wege fahren, auch mal nachts – wenn etwa eine Kuh kalbt, die Geburt nicht reibungslos verläuft. Von den Tierärzten in Deutschland kümmerten sich derzeit noch 3500 um die Tiere in den Ställen in landwirtschaftlichen Betrieben, sagt Ursula von Einem.
Noch seien Bauern nicht in Not, die Höfe nicht unterversorgt. Doch sie prophezeit: „Damit ist zu rechnen, weil der typische Tierarzt auf dem Land derzeit ein Mann, Ende 50 oder älter, in den nächsten Jahren aufhört und genug Nachfolger nicht in Sicht sind.“ Die Zahl der niedergelassenen Ärzte mit eigener Praxis ist 2022 auf 11.743 zurückgegangen – und damit auf das Niveau von 2010, so die Bundestierärztekammer.
Während ihres Studiums behandeln angehende Tiermediziner alle Tiere, auch Rinder, Schweine, Ziegen. Die meisten Absolventen arbeiten später dann aber am liebsten mit Haustieren – allenfalls noch mit Pferden. Dies ist angesichts der steigenden Kosten für die Behandlungen und den teils bösartigen Reaktionen der Tierhalter auch nicht immer ein Vergnügen. Besitzer von Haustieren unterschätzten leicht, was ein Tier koste, so die Expertin. Sie beschimpften Tierärzte als raffgierig.
Tierärzte: Behandlung wird immer teurer
Dieses Verhalten habe sich noch verschärft, seitdem im November 2022 eine neue tierärztliche Gebührenordnung gelte. Für eine allgemeine Untersuchung einer Katze sind seitdem 23,62 Euro (einfacher Satz) fällig, zuvor waren es 8,98 Euro. Das soll ein besseres Einkommen der Tierärzte sichern, mehr Wertschätzung bringt es ihnen aber wohl nicht. Viel zu tun, hoher Druck, wenig Anerkennung, das führt oft auch zu psychischen Problemen.
Manche Ärztinnen und Ärzte schließen sich in größeren Praxisgemeinschaften zusammen, etablieren regionale Notdienstringe. Die bayerische Landesregierung plant bereits eine Landtierarztquote. So eine Quote gibt es in vielen Bundesländern bislang schon für Hausärzte. Auch junge Leute, die nicht so glänzende Noten haben, sollen künftig im Freistaat Tiermedizin lernen können. Sie müssen im Gegenzug allerdings versichern, dort auch für mehrere Jahre als Landtierarzt oder -ärztin zu arbeiten. In jedem Fall brauche es Entlastungen, ist von Einem vom Bundesverband praktizierender Tierärzte überzeugt.