Lüdenscheid. Schrauben, Anton und Künstliche Intelligenz: Wie „Schriever verbindet“ mit der Zeit geht und welche Risiken der Einsatz digitaler Helferlein hat.

Anton ist Schrievers Mädchen für alles. Das, was total langweilig ist, erledigt er blitzschnell. Standardprozesse wie spezielle Lieferungsnachweise oder Angebotsverfolgungen oder Dokumentenversand. Dinge, auf die niemand Lust hat, macht Anton freiwillig. Warum? Er ist ein sogenannter digitaler Helfer beim Schraubenhersteller „Schriever verbindet“ – eine Software, die automatisierte Prozesse übernimmt.

Bald soll er um Künstliche Intelligenz (KI) erweitert werden. Warum die Produktion erstmal noch nicht in seinen Aufgabenbereich fallen wird, erklärt Geschäftsführer Jan Schriever von Schraubenhersteller Schriever verbindet.

Lüdenscheider Schraubenhersteller: Keine Angst vor Künstlicher Intelligenz

Angst vor einer Übernahme der Weltherrschaft durch Künstliche Intelligenz á la Apokalypse-Blockbuster „Matrix“ hat Jan Schriever nicht. Er lacht ein bisschen bei dem Gedanken.

Selbst in dystopischen Szenarien wären es nachher immer noch die Menschen, die Fehler machen, und nicht die KI, die sich gegen sie auflehnt. „Wenn wir uns jetzt vor Themen wie KI verschließen, überrollen sie uns irgendwann“, sagt Jan Schriever.

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Zu Gast bei der Firma Schriever verbindet in Lüdenscheid.
Zu Gast bei der Firma Schriever verbindet in Lüdenscheid. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

PC-Vergleich

Es sei die Pflicht eines Unternehmens, nach links und rechts zu schauen und neue Werkzeuge zu finden. Risiken sieht der Geschäftsführer durchaus, weiß auch genau, dass sein mittelständisches Unternehmen sich mancherlei Technik einfach nicht leisten kann.

Doch er zieht den Vergleich zum PC: „Da haben wir uns damals auch gefragt, ob man drum herumkommt. Wahrscheinlich nicht – so wird es mit KI auch sein“, lautet seine Prognose.

Chat GPT für Anton

Schriever verbindet

Schriever verbindet wurde 1935 gegründet und ist heute Spezialist u.a. für gewindefurchende Schrauben und Mikroschrauben.

Im Jahr 1999 entstand das heutige Firmengelände. Auf 22.000 Quadratmetern mit einer Nutzfläche von 6.100 Quadratmetern arbeiten heute etwa 100 Mitarbeiter. Am Tag werden hier 8 Millionen Schrauben produziert.

Mehr Infos:
www.schriever-schrauben.de

Das Thema KI ist bei Schriever verbindet seit Antons erstem Einsatz auf der Agenda – etwa seit zwei, drei Jahren. „Der digitale Helfer basiert auf einem Algorithmus“, erklärt Schriever. Als KI gilt er damit noch nicht. Dazu müsste er in der Lage sein, dazu zu lernen. Das soll nun kommen, Antons Hersteller arbeite daran, wie Jan Schriever berichtet.

Integriert werden soll eine Art Chat GPT.Das Programm, bei dem eine KI Fragen beantwortet und Texte schreibt und Zugriff auf einen riesigen Wissenspool hat, brachte das Thema Künstliche Intelligenz 2022 in die breite Gesellschaft. „So bekommt Anton dann Zugriff auf jede Menge Allgemeinwissen, zusätzlich zu unserem speziellen, eigenen Wissen“, erklärt Schriever.

Risiko in der Produktion

Zu Gast bei der Firma Schriever verbindet in Lüdenscheid.
Zu Gast bei der Firma Schriever verbindet in Lüdenscheid. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Doch aller Anfang ist – in diesem Fall – vorsichtig: Um Zeit zu sparen, Prozesse zu standardisieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, sei KI von großem Interesse – aber nicht in der Produktion. Zumindest erstmal. „Unser Fertigungssteuerungssystem, MES, beispielsweise ist deutlich komplexer als die Aufgaben, die Anton zurzeit erledigt“, schildert Schriever. Wenn da etwas schieflaufe, könne das desaströse Folgen haben.

Ein Risiko, dass es beispielsweise bei E-Mail-Verkehr so erstmal nicht gebe. „Da wird vielleicht jemand sauer, das war’s. Die Produktion ist unser Herzstück, davon sind wir abhängig“, so der Geschäftsführer. In ganz, ganz ferner Zukunft könnte KI dort wohl auch ein Thema werden. Zum Beispiel beim Checken der börsennotierten Material-Marktpreise, auf die so viel schneller reagiert werden könnte.

Kontrolle der Prozesse

Doch erstmal liegt der Fokus allein auf den leichten Aufgaben. Und selbst da, so Schriever, werde nach der Einführung jede einzelne E-Mail gegengelesen. „Wenn beim 50. Mal kein Fehler dabei ist und das Vertrauen wächst, dann kontrolliert man vielleicht noch jede fünfte E-Mail.“

Und dann könnten irgendwann sensiblere Prozesse ein Thema werden. „Die Forschung ist noch am Anfang. Wir sind schnell mit dabeigewesen.“

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Nullen und Einsen

Was der Geschäftsführer betont, ist dass Anton und in Zukunft der Einsatz von KI immer Unterstützung sind, und kein Ersatz.

Die Firma Schriever verbindet: 8 Millionen Schrauben werden hier pro Tag unter Leitung von Jan Schriever produziert.
Die Firma Schriever verbindet: 8 Millionen Schrauben werden hier pro Tag unter Leitung von Jan Schriever produziert. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Letztendlich sind das gut gemacht Vorhersagemaschinen, die aufgrund riesiger Datenmengen aus Nullen und Einsen Entscheidungen treffen. Emotionen werden sie nie lernen und auch keine Lebenserfahrungen sammeln.“ Die Arbeit des Menschen bleibe wichtig, auch wenn die Zukunft vielleicht eher Arbeit in der IT-Branche bringen würde. „KI versteht keine Logik, das darf man nicht vergessen.“

Die Technologie entwickelt sich zuletzt rasant – erschlägt das einen mittelständischen Betrieb nicht förmlich? „Wir sind nicht entspannt, wir sind nicht verspannt. Wir finden das Thema schön. Und spannend.“