Frankfurt/M. Laut einer vom Bundesverband der deutschen Industrie in Auftrag gegebenen Untersuchung könnten die Privathaushalte 25 Prozent an Stromkosten sparen, wenn die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert würden. Die Grünen regierten wütend auf den neuen Dreh in der Dauer-Debatte.
Milliardenentlastung oder «unbeherrschbare Energie»: Im Streit um eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke haben die Befürworter Unterstützung von einer vom BDI in Auftrag gegebenen Studie erhalten. Danach würden die Privathaushalte bis 2030 rund 60 Milliarden Euro sparen, wie die «Welt am Sonntag» berichtete. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kündigte dagegen im Deutschlandradio Kultur heftigen Widerstand gegen solche Pläne an und verwies auf das marode Atommülllager Asse.
Seine Parteikolleginnen, die Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag beziehungsweise im Europaparlament, Renate Künast und Rebekka Harms, forderten Konsequenzen aus dem Skandal um die Asse. Künast erklärte in der «Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung», für die milliardenteure Sanierung seien die Energiekonzerne in der Pflicht. Harms forderte in der «eine Neuausrichtung der Atompolitik.
25 Prozent Ersparnis für Haushalte
Nach der Studie der Forschungsinstitute R2B und EEFA wurden die Großhandelspreise für Elektrizität bis 2030 auf fast 90 Euro pro Megawattstunde steigen, wenn es beim Atomausstieg bleibe, wie die «Welt am Sonntag» berichtete. Werde die Laufzeit der 17 deutschen AKWs aber auf 60 Jahre verlängert, blieben die Preise den Angaben zufolge dauerhaft gut 25 Prozent günstiger bei rund 70 Euro.
Die indirekte Entlastung der Verbraucher ist der BDI-Studie sogar noch weit höher, weil auch Industrie und produzierendes Gewerbe von den geringeren Energiekosten profitierten. Die direkte und indirekte Kostenentlastung aller volkswirtschaftlichen Sektoren zusammen summiere sich bis 2030 auf etwa 256,1 Milliarden Euro, wenn die Atomkraftwerke blieben, sagte der Chef des EEFA-Instituts Elmar Hillebrand dem Blatt zufolge. Ob in diesen Berechnungen auch zusätzliche Kosten für die Atommülllagerung oder die Sanierung der Asse enthalten sind, war zunächst nicht klar.
«Von Billigentsorgung profitiert»
Grünen-Chef Özdemir kündigte heftigen Widerstand gegen eine mögliche Laufzeitverlängerung an. Gerade erst habe das Atommülllager Asse gezeigt, dass es sich bei der Atomkraft um eine unbeherrschbare Energieform handele. «Heute schauen wir in Asse rein und sehen, da hat man ein Loch reingemacht, hat die Fässer reingeworfen und nach dem Motto gehandelt: Nach uns die Sintflut.»
Grünen-Fraktionschefin Künast erklärte, die Energiekonzerne hätten jahrelang von der «Billigentsorgung ihres Atommülls in der Asse profitiert». Zudem regte sie eine Brennelementesteuer an. Diese würde «die steuerliche Sonderstellung der Atomkraft beenden und könnte für die Finanzierung der Asse-Sanierung herangezogen werden», sagte Künast.
Offizielles Gespräch am 21. Januar
Das marode Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel soll als weltweit erstes Endlagerbergwerk vollständig wieder ausgeräumt werden. Bundesumweltminister Norbert Röttgen und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) empfahlen am Freitag die Rückholung aller 126.000 Atommüllfässer, die dort bis 1978 deponiert worden waren.
Zur Verlängerung der Atomlaufzeiten hat Röttgen bereits erste Gespräche mit den Energieversorgern (EVU) geführt. Der CDU-Politiker war zuletzt von Unions-Wirtschaftspolitikern dafür kritisiert worden, die Branche zu lange warten zu lassen. Bereits im Frühjahr müsste mit Neckarwestheim der erste Meiler abgeschaltet werden. Am 21. Januar findet ein offizielles Gespräch zwischen Energiekonzernen und Bundesregierung im Kanzleramt statt.