Duisburg. Robert Habeck hat Thyssenkrupp in Duisburg einen symbolischen Milliarden-Scheck übergeben. Der Konzern will einen weiteren Hochofen ersetzen.
Als Kulisse für die symbolische Scheckübergabe dient ein Ort, den Robert Habeck schon kennt. Neben dem sogenannten Brammenlager auf dem weitläufigen Duisburger Areal von Thyssenkrupp befindet sich nun ein Baufeld. Im Februar 2022 war Habeck schon einmal an dieser Stelle, um sich ein Bild vom geplanten Aufbau einer klimafreundlichen Stahlproduktion zu machen. Jetzt hat Thyssenkrupp einen Truck mit Bühne und Lautsprecher-System auf das Gelände fahren lassen. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ist gekommen, für den neuen Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez ist es der erste öffentliche Auftritt in seiner neuen Funktion.
Während Robert Habeck spricht, schaufeln die Bagger zunächst weiter Steine beiseite. Dieselabgase liegen in der Luft. Manchmal rumpelt es. Für den Wirtschaftsminister ist es mittlerweile schon der dritte Besuch bei Deutschlands größtem Stahlkonzern. Erst vor wenigen Wochen hat er auf einer Kundgebung von Stahlarbeitern gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt konnte Habeck den von der Belegschaft seit Monaten erhofften Förderbescheid für den Aufbau einer Hochofen-Nachfolgetechnologie in Duisburg noch nicht präsentieren. Habeck machte Hoffnung, gab ein Versprechen ab – und nun hat er geliefert.
Es sei der größte Förderbescheid in der Geschichte der Bundesrepublik, so Habeck. Das Volumen: knapp zwei Milliarden Euro. Auf der Pappe, die der Minister den Konzernvertretern in die Hände drückt, steht die Zahl, die in ihrer Exaktheit fast schon ein wenig skurril wirkt: 1.999.702.295 Euro und 30 Cent.
„In Duisburg warten noch fünf weitere Hochöfen“
Bernhard Osburg, der Stahlchef von Thyssenkrupp, betont die historische Bedeutung der Scheckübergabe für das Unternehmen, das mit der neuen sogenannten Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) in etwas mehr als drei Jahren „grünen Stahl“ in Duisburg herstellen möchte. Zunächst wird das neue Aggregat allerdings mit Erdgas betrieben, später mit Wasserstoff, um den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) massiv zu verringern. Das Kohle-Zeitalter soll bei Thyssenkrupp zu Ende gehen.
„Wir vermeiden so viel CO2 wie keine andere Industrie“, sagt Osburg. Mit der neuen Technologie spare Thyssenkrupp die Kohlendioxid-Menge ein, die eine Stadt mit 160.000 Haushalten ausstoße.
Mit der ersten DRI-Anlage wird allerdings lediglich einer der vier Hochöfen von Thyssenkrupp in Duisburg ersetzt. Zwei weitere Hochöfen betreibt in Duisburg der Tochterkonzern HKM, an dem auch der
niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter beteiligt ist. „In Duisburg warten noch fünf weitere Hochöfen, die zur Transformation anstehen“, sagt Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol, der ebenfalls mit Habeck auf der Bühne steht. „Die Politik bleibt weiter in der Pflicht.“ Dem Minister überreicht der oberste Thyssenkrupp-Arbeitnehmervertreter jedenfalls schonmal ein „Herz aus Stahl“.
Thyssenkrupp plant weiteren Ersatz für bestehende Hochöfen
Auf Nachfrage sagt Thyssenkrupp Stahlchef Osburg, es gebe bereits jetzt einen Fahrplan für den weiteren Umbau der Produktion. „Wir haben vor, bis 2030 noch eine zweite Anlage umzustellen“, so Osburg. Es gehe darum, den Standort „zu dekarbonisieren“ – also auf Kohle als Rohstoff für die Stahlherstellung zu verzichten.
Habeck signalisiert – ebenfalls auf Nachfrage eines Journalisten – weitere finanzielle Unterstützung des Staates. Wenn sich das Unternehmen für neue Projekte entscheide, werde es auch weitere Förderungen geben, so Habeck. „Das ist ja völlig klar“, fügt er noch hinzu.
Eine Milliarde Euro steuert Thyssenkrupp für die erste DRI-Anlage selbst bei. Von den zwei Milliarden Euro kommen bis zu 700 Millionen Euro aus der Kasse des Landes NRW. „So geht Politik in Krisenzeiten“, sagt NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) auf der Thyssenkrupp-Bühne.
Nach Duisburg noch Oberhausen auf Habecks Reiseplan
Nach seinem Besuch in Duisburg reist Habeck noch zum Oberhausener Standort des französischen Konzerns Air Liquide, der ein Wasserstoff-Pipelinenetz betreibt und in wenigen Monaten einen Elektrolyseur zur Wasserstoff-Produktion in Betrieb nehmen will. „Hier entsteht ein riesiger Markt“, sagt Habeck mit Blick auf die Wasserstoff-Wirtschaft. Insbesondere das Projekt von Thyssenkrupp werde der Branche einen Schub geben.
Ende 2026 soll die neue DRI-Anlage von Deutschland größtem Stahlkonzern in Betrieb gehen. Ab dem Jahr 2029 will Thyssenkrupp dann rund 143.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr verbrauchen. Das entspreche alle zwei Stunden und 365 Tage im Jahr der Füllmenge des Gasometers Oberhausen.