Berlin. Die Trägerrakete “Ariane 5“ hat erfolgreich Satelliten abgesetzt. Nun endet eine Ära. Und Europa verliert den eigenen Zugang ins All.
Was für ein perfekter Start. Die letzte Ariane-5-Rakete hebt wenige Sekunden nach 19 Uhr Ortszeit in den Sonnenuntergang über dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana ab. Das Ende einer Ära bei hervorragendem Wetter. An Bord: ein Kommunikationssatellit, der Deutschland international weit nach vorn bringen soll. Es ist der dritte Anlauf.
Eine Minute vor dem Start verstummen die Gespräche im Kontrollraum Jupiter. Hier sitzen auch Alexander Schneider, technischer Leiter beim Bremer Satellitenbauer OHB, und Peter Gräf vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Beide sind das erste Mal in Kourou, starren wie alle anderen im Raum auf die Monitore vor sich. Wetter? Optimal. Temperatur? Passt. Elektrisches System der Rakete? Läuft.
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Draußen sind 27 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit. Hier drin ist alles heruntergekühlt. Die letzten zehn Sekunden zählt der Chef der Mission, wie die Starts genannt werden, herunter. Und dann geht alles ganz schnell. Das Haupttriebwerk zündet, sieben Sekunden später die Triebwerke der beiden Booster und Ariane schießt getrieben von 1300 Tonnen Schub mit Grollen und Fauchen Richtung All.
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Rakete: "Ariane 5" bringt zwei Satelliten ins All
Doch der Start ist nicht alles. Im Kontrollraum beobachten sie weiter die Bildschirme, Flugbahn, Höhe, Geschwindigkeit der Rakete. Ändern können sie nichts mehr, jetzt muss sich zeigen, ob das, was sie in den vergangenen Tagen immer wieder getestet haben, auch wirklich funktioniert. Ariane 5 gewinnt rasch Höhe. Schnell ist nur noch ein Feuerschweif am Himmel zu sehen.
Die Rakete bringt zwei Satelliten ins All: einen für das französische Militär und „Heinrich Hertz“, den ersten Kommunikationssatellit Deutschlands seit gut 30 Jahren. Gebaut hat ihn OHB im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Beteiligt sind 42 Partner. Anders als normale Satelliten, die nur Daten empfangen und senden können, besitzt er unter anderem zwei eigene Rechner, die von der Erde aus programmiert werden können. Zudem verarbeiten sie Daten bereits im All. Auch die Sendefrequenzen können verändert werden. Walther Pelzer, Chef der Deutschen Raumfahrtagentur, spricht vom smarten Satelliten. „Die Mission versetzt die deutsche Industrie in die Lage, sich im internationalen Wettbewerb auf Augenhöhe zu behaupten."
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„Heinrich Hertz“ ist so groß wie ein VW-Bus
2.31 Minuten nach dem Start der erste kritische Moment: Werden die beiden Booster sauber abgetrennt? Weil ein Teil möglicherweise nicht richtig funktioniert hätte, hatte Arianespace den ersten Starttermin Mitte Juni kurzfristig abgesagt – zu hoch das Risiko, es könne etwas schief gehen. Alles läuft nach Plan. Die Booster werden sauber abgetrennt. Die Rakete ist jetzt nur noch ein glühender Punkt am Himmel – das Haupttriebwerk.
„Heinrich Hertz“ wiegt 3,45 Tonnen und hat etwa das Format eines VW-Busses. Energie bekommt er über zwei Sonnensegel mit jeweils gut zwölf Metern Spannweite. 370 Millionen Euro kostet die Mission einschließlich Start. Die Kosten teilen sich Bundeswirtschafts- und Bundesverteidigungsministerium. An Bord sind auch Anlagen für die Bundeswehr.
Am Montag war die Rakete vom Gebäude, in dem sie zusammengebaut wurde, quer über einen Teil des Geländes zum Startplatz Nr. 3 gerollt. Eineinhalb Stunden brauchte die Spezialplattform mit der aufrecht stehenden Rakete für die knapp drei Kilometer. Am Himmel kräftige Wolken, dazwischen immer wieder Sonne, die die weiße Rakete zum Leuchten brachte. Sah alles gut aus für den Start – lief dann aber doch nicht nach Plan. Höhenwinde sie zwangen dazu, den für Dienstag geplanten Start erneut zu verschieben.
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Gesteuert wird die Rakete aus einem Raum mit Wänden aus meterdickem Stahlbeton
8.40 Minuten nach dem Start ist die Hauptstufe ausgebrannt, wird abgekoppelt. Die Rakete fliegt knapp 240 Kilometer hoch über dem Atlantik. Wieder läuft alles nach Plan. Die Oberstufe zündet. Im Kontrollraum immer noch angespannte Gesichter. Noch kann einiges schief gehen. Immerhin ist die letzte Ariane 5 nicht kurz nach dem Start explodiert wie die erste 1996. Damals hatte ein Softwarefehler zur Selbstzerstörung geführt.
Gesteuert wird der Start aus dem Launch Center, etwa 2,5 Kilometer von Platz Nr. 3 entfernt. Genauer: Aus einem Bunker genannten fensterlosen Raum, geschützt durch einen Meter dicken Stahlbetonwänden. „Das hier ist das Gehirn des Starts“, sagt ein Mitarbeiter. Die französische Raumfahrtagentur CNES, die den Weltraumbahnhof betreibt, spricht vom Cockpit wie bei einem Flugzeug."
In dieser Sichtweise ist Jupiter der Tower. Der riesige Raum im Kontrollzentrum, wegen der Glastrennwände auch Goldfischglas genannt, liegt knapp zwölf Kilometer vom Startplatz entfernt. Im Raum sitzen Vertreter der Auftraggeber wie Schneider, Mitarbeiter von Ariane Space, Verantwortliche für Wetterbeobachtung, Technik und der Chef der Mission. Sie alle könnten einen Start noch abbrechen. Haben sie aber nicht.
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"Heinrich Hertz wird in 1300 Kilometern Höhe ausgesetzt
Knapp 25 Minuten nach dem Start schaltet sich die Oberstufe aus, die Kapsel mit beiden Satelliten fliegen ohne Antrieb weiter. Nach einer halben Stunde dann der entscheidende Moment. nach etwa 11.100 Kilometern Flugstrecke wird „Heinrich Hertz“ in gut 1300 Kilometern Höhe ausgesetzt. Dreieinhalb Minuten später auch der französische Militärsatellit Syracuse 4B. Im Kontrollzentrum klatschen sie, die versteinerten Mienen entspannen sich.
Doch auch wenn alles sehr gut lief, ist Raumfahrtagentur-Chef Pelzer nicht so ganz begeistert, was mit der Zukunft zu tun hat. „Mit dem Start verliert Europa seinen unabhängigen Zugang zum All“, sagt er. Denn der Nachfolger Ariane 6 ist noch nicht einsatzbereit. Die erste Rakete ist zwar schon montiert, doch sie muss noch zahlreiche Tests durchlaufen. Der Erststart ist für kommendes Jahr vorgesehen. Europas Satelliten müssen jetzt entweder warten oder mit einer Rakete des US-Unternehmens SpaceX des US-Unternehmers Elon Musk starten.
36 Minuten nach dem Start meldet sich „Heinrich Hertz“ mit einem ersten Signal. DLR-Mann Gräf und OHB-Experte Schneider sehen mitgenommen aus, aber glücklich. Der Satellit ist jetzt auf dem Weg zu seinem Zielpunkt, gut 36.000 Kilometer über dem Äquator etwa auf Höhe Ost-Ghanas. Weil er dort mit der Geschwindigkeit um die Erde fliegen wird, mit der sie sich dreht, scheint er auf der Stelle zu stehen. Ende Juli soll er in Position sein, im Herbst dann im Einsatz.
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