Essen. US-Konzern Mars stoppt Lieferung an Edeka. Die Deutschen gehen die Preise nicht mit und setzen auf Eigenmarken. Welche Weltkonzerne noch pokern.
Edeka schiebt dem ewigen Preisgeschacher mit Mars einen Riegel vor: Deutschlands größte Supermarktkette will allem Anschein nach sämtliche rund 450 Artikel des US-Lebensmittelriesen auslisten und möglichst durch Eigenmarken ersetzen. Damit verschwinden Schokoriegel wie Snicker’s und Twix, Tierfutter (Whiskas, Sheba), Kaugummis (Wrigley’s) sowie Reis- und Nudelprodukte aus den Regalen von Deutschlands größter Supermarktkette.
„Tschüss Miracoli. Hallo Delverde“ – der Edeka-Regionalverbund im Südwesten geht bereits mit trotzig-spöttischen Werbeslogans in die Offensive. Auf Handzetteln wird so die Eigenmarke für Spaghetti mit anzurührender Tomatensoßen-Fertigmischung beworben, natürlich zum Sonderpreis. Im Ruhrgebiet und Rheinland ist der Umgang mit dem Verlust Hunderter sehr populärer Markenprodukte weniger offensiv, es seien „keine gesonderten Werbemaßnahmen zum Thema geplant“, sagte eine Sprecherin von Edeka Rhein-Ruhr auf Anfrage unserer Zeitung.
Wie Nestlé, Danone, Mars und Co. mit Edeka und Rewe feilschen
Dieser Eklat ist das vorläufige Ende eines erbitterten Streits um Preiserhöhungen des Herstellers, die Edeka nicht an seine Kundinnen und Kunden weitergeben will. Einmal im Jahr verhandeln die Weltkonzerne wie Nestlé, Danone, Unilever, Procter & Gamble, Coca-Cola oder Mars neu mit den Handelsketten. Dabei geht es nie harmonisch zu, in diesen Zeiten hoher Inflation aber besonders hart zur Sache.
Die großen Vier in Deutschland – Edeka, Rewe, Aldi und Lidl – reizen ihre Marktmacht bis zum letzten Cent aus, weil sie sich untereinander einen extremen Wettbewerb um die besten Preise liefern. Während sie damit bei kleineren Herstellern, Molkereien und der Fleischindustrie die Preise erfolgreich drücken können, tun sie sich bei den Weltmarktführern schwerer.
Das führt in allen Supermärkten und Discountern immer mal wieder dazu, dass Produkte vorübergehend in den Regalen fehlen, zuletzt Pepsi bei Aldi Nord oder Coca-Cola, Pamper’s und Ariel bei Edeka, Kellog’s bei Rewe. Der US-Konzern Mars gilt in der Branche als besonders harte Nuss, er stellte im vergangenen Herbst die Lieferungen an beide deutschen Supermarkt-Platzhirsche Edeka und Rewe ein. Während sich Rewe im Dezember mit Mars einigen konnte, scheint Edeka es aufgeben und an Mars ein Exempel statuieren zu wollen. Alle Produkte seien aus der Jahresplanung gestrichen worden, berichtet die Lebensmittelzeitung unter Berufung auf Insider.
Edeka: Mars fordert ungerechtfertigte Preiserhöhungen
„Wir können bestätigen, dass Mars einen einseitigen Lieferstopp gegen Edeka verhängt hat“, erklärt die Hamburger Edeka-Zentrale auf Anfrage unserer Zeitung. Mars fordere „ungerechtfertigte und überzogene Preiserhöhungen“, was Edeka „so nicht akzeptieren“ könne. Zugleich gibt sich der deutsche Marktführer selbstbewusst, die beliebten Produkte mit seinen Eigenmarken ersetzen zu können: „Wir freuen uns, dass uns viele Verbraucherinnen und Verbraucher dabei unterstützen. Der Nachfrage nach alternativen Marken und unseren preisgünstigen Eigenmarken ist in den betreffenden Sortimentsbereichen deutlich angestiegen“, heißt es.
Einblicke, wie es in den Verhandlungen mit den Lebensmittel-Multis zugeht, gewährte Rewe-Chef Lionel Souque im vergangenen Herbst vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf: „Viele kommen und sagen, ok, es gibt zehn Prozent Erhöhung.“ Die Weltkonzerne erzielten trotz gestiegener Rohstoff- und Energiekosten nach wie vor „Top-Ergebnisse“, die von ihnen geforderten Preiserhöhungen seien oft nicht nachvollziehbar. Und: „Da kämpfen wir brutal dagegen.“ Denn Rewe könne derartige Erhöhungen derzeit nicht voll weitergeben, weil die Kunden in der aktuellen Krise weniger Geld haben. Letztlich müsse man „ungefähr die Hälfte oder drei Viertel“ der Forderungen akzeptieren.
Auch Aldi Süd verhandelt mit Mars
Bei Mars ist ebenfalls von zweistelligen Forderungen die Rede, offiziell äußert sich Edeka nicht zu den Details. Ebenso wenig der Discounter Aldi Süd, der ebenfalls noch mit Mars um die Preise ringt. „Zu laufenden Vertragsverhandlungen äußern wir uns grundsätzlich nicht“, sagt eine Sprecherin des Mülheimer Unternehmens.
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Und während Edeka und Aldi noch um die Preise für Mars-Riegel, Whiskas & Co feilschen, droht bereits der nächste Megakonzern mit saftigen Erhöhungen: Nestlé, der weltgrößte Lebensmittelhersteller. „Wir haben die für uns anfallenden Mehrkosten noch nicht vollständig weitergegeben. Es wird daher weitere Preissteigerungen geben“, sagte Nestlé-Chef Mark Schneider jüngst der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Obwohl die Inflation nicht mehr so hoch sei wie im vergangenen Jahr, habe der Schweizer Branchenprimus bei seinen Preisen noch „Aufholbedarf“.
Auch Weltmarktführer Nestlè will Preise weiter anheben
Das Timing ist nicht schlecht bei der Nummer eins: Aktuell dürfte Nestlé in Deutschland von den Mars-Auslistungen profitieren, schließlich gibt es einige Überschneidungen in den Sortimenten – so konkurriert Nestlé mit Süßwaren wie Kitkat, Lion und Smarties direkt mit den Mars-Produkten. Beim Speiseeis wiederum tritt Nestlé mit Schöller und Mövenpick gegen den britischen Konsumgüterriesen Unilever (Cremissimo, Langnese, Ben & Jerry’s) an. Und: Unilever hat 2022 seine Preise weltweit um 11,3 Prozent erhöht und Finanzvorstand Graeme Pitkethly kündigte erst vor drei Wochen weitere Erhöhungen in diesem Jahr an. Unilever habe erst 75 Prozent seiner Kostensteigerungen weitergegeben, sagte er.
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Aus Rücksicht auf die gestiegene Preissensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher haben viele Hersteller zuletzt ihre Preiserhöhungen lieber versteckt – im schrumpfenden Inhalt ihrer Packungen. In Chipstüten von Funny Frisch und von Chio etwa sind nur noch 150 statt 175 Gramm, im Haribo-Topseller Color-Rado 175 statt 200 Gramm, in der M&M-Tüte (von Mars) 220 statt 250 Gramm – diese Liste, einsehbar auf der Internetseite der darauf spezialisierten Verbraucherzentrale Hamburg, ist sehr lang. Zur „Mogelpackung des Jahres“ kürte die Verbraucherzentrale die 400-Gramm-Schale Margarine von Rama, die gleich groß blieb, aber zuvor immer ein Pfund wog – ein versteckter Preisaufschlag von 25 Prozent.