Hagen/Lennestadt. Beim Glasfaserausbau hinkt Südwestfalen hinterher. Das soll sich ändern, auch dank neuer Bauverfahren. Probleme macht die mangelnde Nachfrage.

Die Erdrakete startet also, aber: kein Knall, kein Zünden, kein Feuerball. „Explodieren“, bemerkt ein Techniker, „tut da nix.“ Fliegen tut auch nix. Stattdessen geht’s „wie ein Regenwurm durchs Erdreich“, wie Stefan Schmitz formuliert.

Acht bis zehn Meter arbeitet sich die Rakete, die keine ist, horizontal durch den Boden. Nach zehn Minuten taucht der pneumatisch angetriebene „Bodenverdrängungshämmer“ im Design eines Geschosses am vorgesehenen Ziel wieder auf. Dabei hatten die Experten des Lennestädter Bohrspezialisten Tracto-Technikzwischenzeitlich Bedenken, dass die Erdrakete vom Wege abgekommen sein könnte. Der Vorführeffekt bleibt aber aus. Zur Erleichterung von Stefan Schmitz.

Erdraketen funktionieren "minimal invasiv"

Der Leiter der Marktentwicklung bei Tracto führte kommunalen Vertretern aus der Region und Abgesandten von Netzbetreibern vor, welche alternativen Möglichkeiten es gibt, um Glasfaserleitungen zu verlegen – ohne Tiefbaumaßnahmen. Erdraketen, Fräs-, Pflug- oder Spühlbohr-Verfahren könnten künftig verstärkt infrage kommen, um den insbesondere in Südwestfalen verbesserungswürdigen Glasfaserausbau für schnelles Internet voranzutreiben – und zwar „minimal-invasiv“, wie es Tim Hofmeister ausdrückt.

Der Tracto-Geschäftsführer, dessen Firma entsprechende Geräte anbietet und daher alternative Vorgehensweisen bewirbt, vergleicht die Verfahren mit einer Herz-Operation: Die könne man entweder konventionell durchführen, indem man den Brustkorb öffne, oder eben sanfter, durch die Leiste.

Stefan Schmitz (Tracto-Technik) bei der Vorführung von alternativen Verlege-Methoden auf dem Tracto-Testgelände in Lennestadt-Gleierbrück.
Stefan Schmitz (Tracto-Technik) bei der Vorführung von alternativen Verlege-Methoden auf dem Tracto-Testgelände in Lennestadt-Gleierbrück. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Glasfaserausbau in Südwestfalen unterdurchschnittlich

Beim Glasfaserausbau wurde bisher eher der Brustkorb geöffnet, sprich: Straßen und Wege aufgerissen. Das ist aufwendig, kostet viel Zeit und Geld. Mit den herkömmlichen Verfahren dürften die ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung – bis 2030 flächendeckendes Glasfasernetz in ganz Deutschland, bis 2025 immerhin 50 Prozent Abdeckung – nicht zu erreichen sein. Laut des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO) habe erst gut ein Viertel der Haushalte in Deutschland einen Zugang zum Glasfasernetz. In NRW sind es noch weniger (20,1 Prozent), in Südwestfalen gar nur 16,8 Prozent.

Deshalb sollen nun verstärkt grabenlose Lösungen zum Einsatz kommen, die günstiger und schneller sein sollen. So das Versprechen. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) arbeitet an einem Verfahren, um den Bauunternehmen, aber auch den Bauämtern der Kommunen bei der Genehmigung und beim Einsatz der modernen Methoden einen Standard an die Hand zu geben. Es geht dabei vor allem um Haftungsfragen.

„Extrem gute Dynamik im Markt“

Ob die Ausbauziele damit erreicht werden und ob die alternativen Verfahren (zu denen auch oberirdische Leitungen oder das Verlegen durch Abwasserrohre gehören könnten) eine dauerhaft sichere Infrastruktur schaffen, bleibt abzuwarten. In Südwestfalen, gerade in den ländlich geprägten Regionen des Sauerlandes, kommen noch weitere Herausforderungen hinzu: Gelände und Bodenbeschaffenheit, weite Wege, geringere Bevölkerungszahl. Der politisch favorisierte privatwirtschaftliche Netzausbau stößt an Grenzen, wenn er sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt.

Dennoch ist Klaus Stratmann „sehr zuversichtlich“, dass NRW und auch Südwestfalen die Ziele erreichen. „Wir haben eine extrem gute Dynamik im Markt“, sagt der Projektleiter beim Kompetenzzentrum Gigabit.NRW, das dem NRW-Wirtschaftsministerium angegliedert ist. Südwestfalen hole auf, habe deutlich höhere Wachstumsraten als der Rest des Landes. Viele Investoren sollen nach Deutschland schielen, weil hier der Glasfaserausbau im europäischen Vergleich noch einen weiten Weg zurückzulegen hat, entsprechend hier ein Geschäft zu machen ist.

Mangelnde Nachfrage nach Glasfaser

Ein „Hemmschuh“, wie Stratmann formuliert, sei allerdings die hierzulande noch mangelnde Nachfrage in der Bevölkerung. Glasfaseranschlüsse mit Geschwindigkeiten von 500 oder 1000 MBit pro Sekunde sind die Zukunft, für viele Verbraucher in der Gegenwart aber noch kein Thema.

Dabei „ist der Glasfaseranschluss der einzige, der dem wachsenden Datenverbrauch standhält. Alle anderen Anschlussarten kommen an ihre Grenzen – vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber in fünf Jahren“, sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW und ergänzt: „Es ist schwierig, dies den Leuten jetzt schon zu erklären, obwohl sie es akut noch nicht brauchen.“

Die monatlichen Kosten für einen Glasfaseranschluss gibt der Verbraucherschützer mit 40 bis 60 Euro an, je nach Geschwindigkeit. „Das“, sagt Flosbach, „ist in Ordnung für diese Anschlussart.“ Herkömmliche Internettarife kosten allerdings etwa die Hälfte und sind mit ihren Datenraten für Normalnutzer oft noch ausreichend. Die Betonung liegt aber auf: noch. „Alle Dienste, die wir nutzen, egal, ob es um das Arbeiten im Home Office oder Streamingportale wie Netflix geht, brauchen immer mehr Daten“, sagt Flosbach.

Kommunen dürfen werben, aber keinen Druck ausüben

Manche Anbieter werben seit einiger Zeit mit einem kostenlosen Anschluss ans Glasfasernetz, wenn sich beispielsweise 30 oder 40 Prozent der Haushalte in einem zu erschließendem Gebiet vertraglich an den Anbieter binden. Wer später einsteigt, für den kann es teuer werden. „Man sollte, wenn jemand klingelt und seriös ist, sich gut überlegen, ob man daran teilnimmt und einen Zwei-Jahres-Vertrag abschließt, damit man die Infrastruktur hat. Ein Vertrag über zwei Jahre ist meist günstiger als der Anschluss. Die Kosten für einen Anschluss werden von den Anbietern mit 700 bis 1000 Euro angegeben“, sagt Flosbach.

Der Syndikusrechtsanwalt der Verbraucherzentrale findet es unter gewissen Voraussetzungen auch nicht anstößig, wenn eine Kommune für einen bestimmten Anbieter wirbt; in Menden hatte die Stadt dies für E.ON getan, die Unterstützung aber nach Protesten zurückgezogen.

„Die Kommunen können über Vorteile berichten, sie können Aufklärungsarbeit betreiben, aber das darf nicht dazu führen, dass sich Anwohner von der eigenen Kommune unter Druck gesetzt fühlen, Verträge mit Anbietern zu unterschreiben“, sagt Flosbach.