Arnsberg. Beim Heimspiel in Arnsberg räumt Friedrich Merz einen Fehler ein. Der CDU-Chef schwört das Land auf schwere Zeiten ein und erntet ein Sonderlob.
Andreas Rother hatte in seiner Begrüßungsansprache nicht mit Kritik gespart. Den „lieben Politikerinnen und Politikern“ servierte der Präsident der IHK Arnsberg zur Eröffnung des Jahresempfangs der Kammer eine Ohrfeige. „Was mich zunehmend irritiert, ist, dass man der Politik oft erst mal erklären muss, wie Wirtschaft funktioniert. Ich habe den Eindruck, es mangelt dort nicht nur an passenden Bildungsabschlüssen, sondern auch am grundsätzlichen Verständnis des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage“, sagte Rother am Freitagabend – und erntete dafür den Applaus der etwa 350 Anwesenden.
Einen aber, den nahm der IHK-Chef – unter dem Gelächter der Zuhörer aus Wirtschaft und Politik – ausdrücklich von seiner Schelte aus: Friedrich Merz. Der CDU-Chef war der Star des Abends. Insofern kam es nicht überraschend, dass der Gastgeber den Ehrengast verschonte. Aber Merz, Heiland für viele Konservative, schlug bei seinem Heimspiel in Arnsberg auch darüber hinaus erwartungsgemäß Wohlwollen entgegen, als er über seinen Blick auf die Lage des Landes und Wege aus der Krise sprach.
Merz denkt an Masterplan Energie
Der 67-Jährige, der in Arnsberg-Niedereimer lebt und von seiner Frau Charlotte, Direktorin des örtlichen Amtsgerichts, begleitet wurde, begann seine Rede mit dem Bekenntnis eines Fehlers. Der Krieg in der Ukraine „war vorhersehbar. Wir“, räumte Merz ein, „hätten es besser wissen müssen“. Das Eingeständnis kam früh in seiner Rede, aber (zu) spät im politischen Handeln des Landes.
Künftig soll sich eine derartige Abhängigkeit wie die in Energiefragen von Russland nicht wiederholen. Auch nicht von China. Er wolle „kein Abkoppeln“ vom Reich der Mitte. „Die Abhängigkeiten von China sind größer, aber auch gegenseitiger als die einseitigen zu Russland“, sagte Merz, der aus der Energieabhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas aber vor allem die Lehre gezogen hat, dass Deutschland eine verlässliche Energieversorgung benötige. Das klinge „trivial“, sei es aber nicht mehr. „Eigentlich braucht das Land einen Masterplan Energie“, sagte Merz.
Plädoyer für längere AKW-Laufzeiten
Die Energiefrage werde für Deutschland, das Industrieland sein und bleiben wolle, „eine der zwei oder drei wesentlichen Fragen“. Mit Sonne und Wind allein aber werde man den Energiebedarf des Landes „niemals decken“ – zumindest nicht, so lange keine ausreichenden Speicherkapazitäten zur Verfügung stünden, um sonnen- und/oder windarme Phasen zu überbrücken. Vielleicht könne dies mit Wasserstoff eines Tages gelingen, allein, bis es so weit sei, sei es ein weiter Weg. Ergo sprach sich Merz erneut für einen Weiterbetrieb der drei noch am Netz verbliebenen Atomkraftwerke und für eine mögliche Reaktivierung zuletzt stillgelegter AKW aus. „Die Diskussion kommt noch mal im Frühjahr“, sagte der 67-Jährige unter dem Applaus des Auditoriums. Die Prophezeiung war nicht nur dem im Publikum anwesenden Arnsberger FDP-Bundestagsabgeordneten Carl-Julius Cronenberg gewidmet, sondern wohl auch der Ampel in Berlin.
Insgesamt vertrat Merz erwartbare Positionen, blieb vor seinem Fachpublikum aus der Wirtschaft recht allgemein. Er verteidigte noch einmal das Bundesrats-Veto der Union gegen das Bürgergeld der Ampel, mit dem die Sozialdemokraten ihr Agenda-2010-„Trauma“ überwinden wollten. Man werde nun an einem Kompromiss mit der SPD-geführten Bundesregierung arbeiten, damit beim Bürgergeld aus „dunkelrot hellrot“ werde.
Mutmacher als Rausschmeißer
Zudem schwor er die Zuhörer auf ein schweres Jahr 2023 ein, servierte aber als Rausschmeißer seiner 20-minütigen Rede einen Mutmacher.
„Wenn der Staat bereit wäre, und ich möchte mich dafür gerne einsetzen, den Unternehmen mehr Freiräume zu geben, auch Innovationen und technologischen Fortschritt zu ermöglichen, wenn wir nicht mehr nur darüber reden, wo wir aussteigen in diesem Land, sondern endlich mal wieder darüber sprechen, wo wir einsteigen, nicht das, was wir ablehnen in den Vordergrund stellen, sondern was wir haben möchten, wenn wir in den Vordergrund stellen, dass wir Industriestandort bleiben wollen, wenn wir dieses gemeinsam vertreten, könnte ich mir sogar vorstellen, dass die Rezession im nächsten Jahr nicht ganz so hart ausfällt, wie es die Pessimisten es annehmen“, sagte Merz.
Und er ergänzte: „Ich könnte mir dann auch vorstellen, dass die Innovationskraft und die Veränderungsbereitschaft in diesem Land ausreichen, um wieder daran anzuschließen, wo wir mal waren, nämlich ein leistungsfähiges, starkes Land in Europa. Diesem Ziel sollten wir uns alle verpflichtet fühlen.“