Essen. Unruhe beim Essener Energiekonzern RWE vor der Hauptversammlung: Der Investor Enkraft erhöht den Druck auf das RWE-Management.

Ein Investor schürt Unruhe beim Essener Energieversorger RWE. Mit einer ganzen Reihe von Vorstößen setzt die aktivistische Investmentfirma Enkraft das RWE-Management um Vorstandschef Markus Krebber und den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Brandt unter Druck. Kurz vor der digitalen Hauptversammlung am Donnerstag nimmt sich Enkraft auch die kommunalen Aktionäre des Revierkonzerns vor, darunter Städte wie Dortmund, Essen und Mülheim.

Enkraft will bei RWE eine schnelle Trennung vom Geschäft mit der Braunkohle erwirken. Mit einer von Enkraft herbeigeführten Ergänzung zur Tagesordnung der Hauptversammlung steht eine mögliche Abspaltung der Kohlesparte offiziell zur Abstimmung. Aller Voraussicht nach dürfte es dafür keine Mehrheit geben, dennoch lässt Enkraft nicht locker.

In einem an Aufsichtsratschef Brandt adressierten Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, legt Enkraft-Geschäftsführer Benedikt Kormaier dem Unternehmen nahe, die Stimmen der Kommunen bei den Abstimmungen während der Hauptversammlung nicht zuzulassen und führt dafür juristische Argumente ins Feld. Enkraft wirft den Kommunen vor, sie würden als Anteilseigner bei RWE koordiniert vorgehen, unter Börsianern als „Acting in Concert“ bekannt, aber keine entsprechende Stimmrechtsmitteilung machen. Dies sei nicht korrekt, argumentiert Enkraft, daher habe der Investor die Finanzaufsicht Bafin eingeschaltet.

Der Verband der kommunalen RWE-Aktionäre (VkA), zu dem auch auch Revierkommunen wie Bottrop, Duisburg, Gelsenkirchen, Gladbeck, Oberhausen und Witten gehören, weist die Vorwürfe auf Anfrage unserer Redaktion zurück. RWE betont, die kommunalen Aktionäre seien seit langem wichtige langfristig orientierte Investoren. „Aus unserer Sicht ist die Aufgabe des VkA mit der eines Stimmrechtsberaters vergleichbar“, so RWE. Dies sei bei großen Investoren und Anlegern weltweit üblich.

Gegenkandidat für Essens Oberbürgermeister Kufen

Enkraft zieht derweil Aufmerksamkeit auf sich. So hat der Investor auch einen Gegenkandidaten für Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) aufgestellt, der für den RWE-Aufsichtsrat kandidiert. Enkraft-Geschäftsführer Kormaier kritisiert, Kufen fehle für den Job bei RWE die Zeit, da er neben seiner hauptamtlichen Rolle als Oberbürgermeister schon diverse Aufsichtsrats- und Beiratsmandate in Firmen übernommen habe.

Im Kern geht es Enkraft allerdings weniger um einzelne Personalien, sondern um das Große und Ganze bei RWE. „Mit einer Abspaltung der Kohleaktivitäten würde der Wert von RWE am Kapitalmarkt sprunghaft steigen. Wir gehen von einem Potenzial von bis zu 16 Milliarden Euro zusätzlich aus“, spekuliert Kormaier. Durch den Ukraine-Krieg sei es „dringender denn je, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu forcieren – mit entsprechenden Potenzialen für RWE.“

RWE-Chef Krebber lehnt Investorenvorschlag ab

In seiner vorab veröffentlichten Rede zur Hauptversammlung erklärt RWE-Chef Markus Krebber, er unterstütze „das Ziel des Investors, den Wert des Unternehmens zu steigern“. Dazu setze der Vorstand auf eine Strategie von „Nachhaltigkeit und Wachstum“. Eine Abspaltung des Braunkohle-Geschäfts lehnt Krebber aber ab. Mit einem solchen Schritt würde „keine einzige Tonne“ des Klimagases Kohlendioxid (CO2) eingespart, argumentiert Krebber, doch es entstünden „erhebliche Unsicherheiten“ für die betroffenen Beschäftigten. „Agieren mit der Brechstange ohne Rücksicht auf politische und rechtliche Hürden sowie soziale Belange ist nicht im Sinne einer guten Unternehmensführung“, sagt Krebber.

Auch die Fondsgesellschaft Union Investment votiert gegen den Enkraft-Vorschlag. „Der Kampf gegen den Klimawandel duldet keinen Aufschub“, sagt Union-Investment-Manager Henrik Pontzen. Eine schnelle Abspaltung des Braunkohlegeschäfts, wie Enkraft sie fordere, führe aber nicht zum Ziel. „Der Umwelt ist nicht geholfen, wenn RWE weniger CO2 emittiert und dafür ein anderer Eigentümer die rheinische Braunkohle verstromt. Kohle gehört nicht in andere Hände, sondern abgeschafft.“