Freudenberg. So viele Lebensmittelwarnungen wie im vergangenen Jahr gab es in Deutschland noch nie. Doch sind die Produkte wirklich unsicherer geworden?

Die Zahl der Lebensmittelwarnungen in Deutschland hat 2021 einen neuen Höchststand erreicht. Dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist angesichts vermehrter Rückrufe keinesfalls unwohl. Aus der Zunahme der Meldungen (225 Warnungen bis zum 20. Dezember) dürfe man nicht schließen, dass die Lebensmittel unsicherer geworden seien. BVL-Sprecher Florian Kuhlmey: „Öffentliche Rückrufe werden inzwischen vielfach als Bestandteil eines verantwortungsvollen Managements gesehen, mit dem auch Vertrauenswürdigkeit demonstriert werden kann.

Jüngst machte die Klaas + Pitsch Fleisch- und Wurstwaren GmbH in Freudenberg-Niederndorf damit Erfahrung. „Es ist das erste Mal in der gut 50-jährigen Unternehmensgeschichte“, so der Kaufmännische Leiter Daniel Weyand, „dass wir einen Rückruf starten mussten.“

Betroffen war eine Rohcharge der geräucherten „Gourmet Gänsebrust“, die wegen eines Salmonellenbefunds zurückgerufen wurde. Weyand: „Im Rahmen unserer regelmäßigen Eigenkontrolle hatte unser Partnerlabor eine Salmonellenbelastung festgestellt.“ Man habe umgehend das Veterinäramt und die Handelsketten Real und Metro informiert: „Die Ware wurde ausschließlich an die beiden Handelsketten ausgeliefert.“ Allgemein, so Weyand, könne man in der Geflügelzucht ein Salmonellenvorkommen nicht vollständig ausschließen.

Lesen Sie auch:

Freudenberger Unternehmen handelt schnell

Klaas + Pitsch hat sich für die „Unannehmlichkeiten“ entschuldigt. „Wir gehen davon aus“, so Weyand, dass die Rückrufaktion bei Geschäftspartnern und Verbrauchern als vertrauensstärkend eingestuft wird, weil wir schnell gehandelt, offen kommuniziert und hohes Verantwortungsgefühl gezeigt haben.“ Durch „kontinuierliche Zertifizierungen, Kunden-Audits und Eigenkontrollen“ arbeite man ständig an der Produktsicherheit.

Tatsächlich beobachtet Nora Dittrich, Referentin für Lebensmittelrecht und Lebensmittelsicherheit bei der Verbraucherzentrale NRW, in den letzten Jahren die generelle Tendenz, dass immer mehr Unternehmen sich für eine offensive Kommunikation entscheiden. „Viele Verbraucher sind bereit, Fehler zu verzeihen, wenn man aufrichtig ist und angemessen damit umgeht.“ Es müsse nicht zwangsläufig zum absoluten Image-Verlust kommen, „wenn man den Rückruf richtig kommuniziert und versucht, Vertrauen zu schaffen“.

Der umgekehrte Fall sei schlimmer: Angenommen, bei einer Eigenkontrolle falle etwas auf und man entscheide sich gegen einen Rückruf – „das könne einem dann später erst recht auf die Füße fallen oder sich zu einem Skandal ausweiten“.

Dass sich die Zahl der Rückrufe kontinuierlich erhöht, könne auch einen anderen Grund haben: „Wir finden es wichtig darauf hinzuweisen, dass viele Unternehmen ihre Pflicht einer sehr guten Eigenkontrolle vernachlässigen.“ Ein Problem bestehe laut Dittrich auch in einem europaweiten Mangel an Lebensmittelkontrolleuren: „Es fehlt an Personal, an passenden technischen Mitteln und konkreten Befugnissen.“ Die Behörden müssten für die Kontrolle der Eigenkontrolle finanziell besser ausgestattet sein.

Mikrobiologische Verunreinigungen

Dem Bundesamt für Verbraucherschutz zufolge waren die Hauptgründe für Warnungen vor Lebensmitteln 2021 „mikrobiologische Verunreinigungen, etwa mit Bakterien wie Salmonellen, sowie Parasitenstadien, Schimmelpilze oder Viren. Die Ursachen könnten vielfältig sein, so BVL-Sprecher Kuhlmey. „Da Mikroorganismen allgegenwärtig sind, können sie vielerorts auf dem Weg von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis hin zur Küche der Verbraucher in die Nahrungskette gelangen.“