Essen/Bochum/Mülheim. Streit um die 2G-Regel: Der Handel sieht eine Belastung im Weihnachtsgeschäft. Einige Geschäfte haben Vorteile: Kontrollen sind hier nicht nötig.
So unterschiedlich können die Welten im Handel sein. „Sie benötigen keinen 2G-Nachweis für Ihren Einkauf“, verkündet der Süßwarenhändler Lindt auf einem Schild am Eingang des Geschäfts an der Limbecker Straße in der Essener Innenstadt. Direkt daneben sieht es beim Modeschmuckladen Bijou Brigitte anders aus: Es gibt 50 Prozent Rabatt „auf alles“, denn die Filiale fließt. Es gilt die 2G-Regel.
2G ist das große Aufregerthema des Handels im Weihnachtsgeschäft. Nach einer gerichtlich angeordneten Aufhebung der Pflicht in ganz Niedersachsen tobt ein Streit um die coronabedingten Zugangsbeschränkungen in den Einkaufsstraßen und Shopping-Centern. Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert vehement eine Abkehr von 2G. Die Bundesregierung hält dagegen an den Zugangsverboten für Ungeimpfte in weiten Teilen des Einzelhandels fest.
Am Donnerstag hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nach einer Klage der Kaufhauskette Woolworth die 2G-Regel im Einzelhandel für das Bundesland gekippt. Die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, hieß es.
Ausnahmen von 2G-Regel gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs
Bund und Länder hatten am 2. Dezember beschlossen, dass bundesweit und unabhängig von der Inzidenz 2G im Einzelhandel gelten soll. Ausnahmen von der 2G-Regel gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs, also etwa Supermärkte und Drogerien, aber auch Bücher- und Blumenläden.
Nachdem der Entscheidung in Niedersachsen wächst auch bei Händlern in NRW die Hoffnung auf Lockerungen beim Einkauf noch vor Weihnachten. „Wir wünschen uns eine rasche Entscheidung“, heißt es beim Handelsverband NRW. Das für Nordrhein-Westfalen zuständige Oberverwaltungsgericht Münster will über einen Eilantrag zur Aussetzung der 2G-Regel in der nächsten Woche entscheiden. Antragsteller ist wie auch in Niedersachsen die in Unna ansässige Kette Woolworth.
Auch interessant
„Die Tatsache, dass diverse andere Handelskonzepte nicht von der Zugangsbeschränkung betroffen sind, betrachten wir als unverhältnismäßig und diskriminierend gegenüber unserem Konzept“, sagt ein Woolworth-Sprecher. In Schleswig-Holstein haben Richter den Eilantrag der Kaufhauskette indes zurückgewiesen. Die 2G-Regel sei rechtmäßig, so das Urteil.
„Im Buchhandel gilt: Zutritt für alle!“
Die zwei Welten im Handel sind auch im Rhein-Ruhr Zentrum an der Stadtgrenze von Essen und Mülheim zu erkennen. „Echte Sicherheit beginnt mit 2G“ – so steht es auf einer Tafel am Eingang des Einkaufscenters. Gleich daneben verkündet Thalia: „Im Buchhandel gilt: Zutritt für alle!“
Bei den Kontrollen setzen viele Händler auf pragmatische Lösungen. Wer einmal seinen Impfnachweis vorgelegt hat, bekommt einen Stempel auf die Hand – „2G kontrolliert“ – und damit Zutritt zu den weiteren Geschäften. Stempelkissen liegen am Eingang der Läden bereit.
Auch interessant
Verdirbt 2G dem Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft? In Bochums Innenstadt scheint es an diesem viel zu warmen Dezembertag so: Das Karussell am Eingang der City steht still, im Hexenkessel mit seinen vielen Tischen im Zelt nebenan ist genau ein Tisch besetzt. Chris Rea singt „Driving home for Christmas“ für drei Damen, die sich für einen Glühwein erwärmen – oder ist es ein Eierpunsch?
So manches soll rar sein in diesem Advent – Playstations, Turnschuhe, sogar manches Buch. Dafür gibt es, was es in der Woche vor dem vierten Advent hier sonst nie gibt: Parkplätze. Und zwar nicht nur die 202 in der Tiefgarage, sondern auch oben in den Gassen direkt an der Fußgängerzone. Was den Geschenke-Sucher freut, ist kein gutes Zeichen für jene, die ihm welche verkaufen wollen.
Einlasskontrolle verursacht an diesem Tag keine Schlangen
Die Einlasskontrolle für Geimpfte und Genesene verursacht an diesem Tag keine Schlangen, dafür kommen zu wenige rein. Impf- und Personalausweis sind binnen Sekunden gecheckt, der Stempel auf dem Handrücken erübrigt die Kontrolle in allen weiteren Läden der Innenstadt. Eine sehr bequeme Lösung – wer die City meidet, weil er lange Wartezeiten wegen 2G befürchtet, liegt zumindest in Bochum daneben. Tatsächlich gibt es die einzigen Schlangen draußen, dort, wo der Winzerglühwein duftet oder Dönninghaus verlässlich seinen Wurstkult verkauft.
In den kleineren Läden sind die Hinweise wie „Nur fünf Kunden gleichzeitig“ meist von trauriger Verzichtbarkeit. Auch im Bochumer Traditionshaus Baltz muss niemand Kunden zählen, so viele sind es nicht. Wer gekommen ist, wird alsbald von den vielen Verkäuferinnen auf der Fläche beraten. Immerhin sehen die meisten wild entschlossen aus, fündig zu werden, und sie suchen bevorzugt an den Regalen mit den eher hochpreisigen Markenklamotten.
Auch interessant
Ob die Umsätze der Händler noch erträglich ausfallen oder nicht, wird wie jedes Jahr verlässlich erst im Januar zu erfahren sein. Der Handelsverband NRW spürt nach drei Adventswochenenden aber viel Ernüchterung und Frust. „Zusätzlich zu den Lieferengpässen in vielen Handelsbranchen sind die Auswirkungen der 2G-Regelungen auch am dritten Adventswochenende spürbar“, sagt Jan Kaiser, Geschäftsführer beim Handelsverband NRW im Rheinland.
Die Hoffnungen ruhten nun „auf dem vierten Adventswochenende, das oftmals noch eine Belebung durch Last-Minute-Shopper erfährt“. Der Verband erklärt die Not der Geschäfte kurzerhand zum Lockmittel für die Kunden: Es sei „auch am letzten Adventswochenende noch ein entspanntes Einkaufen realistisch“.