Essen. RWE-Chef Krebber will den Essener Energiekonzern schneller als bisher geplant umbauen. Auch einen vorgezogenen Kohleausstieg hält er für möglich.

Schon das Bühnenbild ist eine Botschaft: Grün mischt sich in die RWE-Farbe Blau. Auf Bildschirmen an einer Seitenwand sind Motive von Wäldern und Bergen zu sehen. Markus Krebber, der RWE-Chef, steht an einem Glastisch, der von drei weißen, solide wirkenden Buchstaben des Konzernnamens getragen wird. Es ist die erste große Pressekonferenz des neuen Vorstandsvorsitzenden auf dem Essener Firmencampus. Tags drauf will er zu Gesprächen mit Investoren nach New York reisen, danach steht London auf dem Plan. „Roadshow“ nennt sich das in der Sprache der Konzerne. Im Gepäck hat Krebber ein neues Strategieprogramm, das belegen soll: RWE verändert sich – und zwar schneller als erwartet.

„Jetzt muss gehandelt werden“, sagt Krebber. „Das tun wir bei RWE.“ Von der Klimakonferenz in Glasgow gehe zwar ein „deutliches Signal“ aus, entscheidend seien aber nicht die Ziele, sondern die Umsetzung – „und da ist beim Klimaschutz die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch viel zu groß“, urteilt der RWE-Chef.

Sein Unternehmen jedenfalls werde das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich erhöhen, kündigt Krebber an. Bislang wollte der Konzern eigenen Angaben zufolge die Gesamtleistung pro Jahr um durchschnittlich um 1,5 Gigawatt steigern. Künftig sollen es im Durchschnitt 2,5 Gigawatt jährlich sein. Bis zum Jahr 2030 werde RWE 50 Milliarden Euro investieren, um das Geschäft mit erneuerbaren Energien auszubauen. Pro Jahr sollen im Schnitt fünf Milliarden Euro insbesondere in Windkraft-, Solar-, Speicher- und Wasserstoffprojekte fließen. „Growing Green“ nennt RWE das neue Strategieprogramm, mit dem der Konzern nach eigenem Bekunden „grüner, größer und werthaltiger“ werden will.

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Mit dem Abbau und der Verstromung von Braunkohle im Rheinischen Revier gehört RWE derzeit noch zu den größten Emittenten von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) in Deutschland. Als Betreiber von Kernkraftwerken war der Essener Energiekonzern zudem lange Zeit ein Feindbild der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Krebber reagiert auf Vorstoß von NRW-Ministerpräsident Wüst

Druck kommt auch von Investoren – und aus der Politik. Der neue NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte kurz nach seinem Amtsantritt, er wolle „alles dafür tun“, den Kohleausstieg schon auf das Jahr 2030 vorzuziehen – statt 2038.

Bei RWE habe der Kohleausstieg längst begonnen, sagt Krebber dazu. „Es kann gelingen, ihn nach vorne zu ziehen, wenn der konsequente Ausbau der neuen Technologien tatsächlich beschleunigt wird.“ RWE arbeite daran, mit Hilfe der erneuerbaren Energien „die Voraussetzungen des Ausstiegs schneller zu erfüllen als bislang vorgesehen“.

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Auf Nachfrage zeigt sich RWE-Finanzchef Michael Müller offen für Gespräche mit der künftigen Bundesregierung. Bei der Frage, ob der Konzern bei einem rascheren Ausstieg auf eine höhere Entschädigung hoffe, bleibt Müller vage.

Greenpeace gehen Ankündigungen von RWE nicht weit genug

So oder so sieht Ingo Speich von der Sparkassen-Investmentfirma Deka Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz bei RWE. „Der Druck des Kapitalmarktes und der Regulierung wird weiter zunehmen, denn das heutige RWE-Geschäftsmodell ist nicht zukunftsfähig und muss sich transformieren“, betont Speich. Mit dem Investitionsprogramm sei der Konzern daher „auf dem richtigen Weg“.

Für Karsten Smid, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, gehen Krebbers Aussagen hingegen nicht weit genug. Der RWE-Chef mache „nur vage Ankündigungen zu einem Vorziehen des Kohleausstiegs“, kritisiert Smid. Ab dem Jahr 2023 trage die Kohlesparte von RWE „so gut wie gar nichts zum Unternehmensgewinn bei, wird aber immer größeren Ärger bereiten“. Tatsächlich rechnet RWE damit, dass die Kohleverstromung ab 2023 „nur noch in geringerem Maße“ einen Beitrag zum Konzernergebnis liefere, wie es Finanzchef Müller formuliert.

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Von Ulf Meinke, Stefan Schulte und Andreas Tyrock

Krebber sagt, gerade in Deutschland gebe es für RWE „besonderes Wachstumspotenzial“ bei den Erneuerbaren. Denn die Bundesrepublik sei das einzige Industrieland, in dem sowohl die Kernenergie als auch die Kohle „sehr schnell zu ersetzen“ seien. Daher werde sein Unternehmen auch auf dem Heimatmarkt das Tempo erhöhen und in den 2020er Jahren zwischen zehn und 15 Milliarden Euro in den Ausbau von Windkraft an Land und auf hoher See sowie für Solaranlagen, Energiespeicher und Wasserstoff-Projekte investieren.

Für das Windkraft- und Solargeschäft will RWE zudem sieben neue Büros in unterschiedlichen Teilen Deutschlands aufbauen – eines davon in Düsseldorf. Kurzfristig werde RWE in den Regionalbüros etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Projektentwicklung vor Ort einstellen. Der Anspruch sei: „Im Erneuerbaren-Bereich soll in Deutschland jedes Projekt realisiert werden, das möglich ist.“