Hagen. Reiner Priggen vom NRW-Verband Erneuerbare Energien hält beim Thema PV-Dächer einen Zwang für unnötig. Was er von der neuen Regierung fordert.

Der große Aufbruch mit einer Klimakanzlerin Annalena Baerbock an der Spitze der Bundesregierung ist passé – oder zumindest vertagt. Das Megathema Klimawandel bleibt. „Hier wird es bei den Verhandlungen wesentliche Schritte nach vorne geben müssen“, schätzt Reiner Priggen, Vorsitzender des NRW-Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE). Der 68-Jährige ist zudem Politprofi, war 17 Jahre Abgeordneter und von 2010 bis 2015 Fraktionsvorsitzender der Grünen im NRW-Landtag.

NRW-Regierung bei Energiewende kein Entfesselungskünstler

Spätestens in den letzten Wochen vor dem Wahlsonntag kaperten auch CDU/CSU und SPD endgültig das Thema und riefen den Kurs Klimawandel aus. Mit allerdings durchaus unterschiedlichen Koordinaten. Wie ernst das gemeint ist, wird sich erst in den Koalitionsverhandlungen in den kommenden Wochen herausstellen. Im von CDU und FDP geführten Nordrhein-Westfalen hatte der Landesverband LEE in den vergangenen vier Jahren in Bezug auf die Energiewende nicht den Eindruck, dass in Düsseldorf Entfesselungskünstler und Pragmatiker sitzen, wenn es um den Zubau von Windkraftanlagen ging oder auch nur um den Abbau von Gesetzeshürden.

Reiner Priggen war bis 2017 Abgeordneter der Grünen im NRW-Landtag und bis 2015 Fraktionsvorsitzender. Als Chef des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) spricht er sich für eine künftige Bundesregierung aus Grünen, FDP und SPD aus.
Reiner Priggen war bis 2017 Abgeordneter der Grünen im NRW-Landtag und bis 2015 Fraktionsvorsitzender. Als Chef des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) spricht er sich für eine künftige Bundesregierung aus Grünen, FDP und SPD aus. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Beispiel Photovoltaikanlagen. „Um das Thema muss man keinen Glaubenskrieg entfachen“, findet Priggen. „Ich muss den Einzelnen nicht zwingen, eine Anlage auf seinem Dach zu installieren. Ich muss es aber möglich machen.“ In NRW stehe dem auf vielen – auch öffentlichen Gebäuden wie Schulen – nach wie vor der Denkmalschutz entgegen. Eine vielleicht spezielle, aber ganz konkrete Facette beim ernsthaften Umgang mit dem Thema Energiewende. „Seit vier Jahren sind wir mit der Landesregierung über Entfesselung und Beschleunigung im Gespräch. Nach wie vor liegt der Gesetzentwurf in der Schublade. So geht das alles sicher nicht weiter“, sagt Priggen mit Blick darauf, dass die künftige Bundesregierung jedenfalls konkrete Fortschritte bei der Klimawende erzielen müsse.

Kohleausstieg schon 2030 nötig

Von den wichtigsten Bereichen, in denen jetzt Tempo aufgenommen werden müsste, hält der Verbandschef den Umbau der Energieerzeugung noch für das einfachste Thema. Im Grunde habe die alte Bundesregierung im nachgebesserten Klimaschutzgesetz sogar bereits einen Kohleausstieg deutlich vor 2038 festgelegt, weil anders die gesetzten Ziele bei der CO2-Reduktion gar nicht erreichbar seien. Die Mobilität der Zukunft sei batterieelektrisch, spätestens mit der Entscheidung des deutschen Autobauers Volkswagen, voll auf diese Technologie zu setzen. Was fehlt ist nach wie vor das Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur.

„Das ganz große Problem mit Blick auf die Klimawende sind die Gebäude“, erinnert Reiner Priggen. Angesichts der bekannten Zahlen, dass rund ein Drittel des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland über Strom und Heizen in Gebäuden verbraucht wird und dabei laut Umwelt-Bundesamt rund 30 Prozent der CO2-Emissionen verursacht werden, müsste die kommende Bundesregierung sich hier endlich mehr kümmern. Dass bei der Gebäudesanierung ein riesiges Potenzial für heimische Firmen liegt, müsste doch auch eigentlich Wirtschaftsliberale am Verhandlungstisch begeistern können.

Primat der Regierungsbildungliegt bei Olaf Scholz

Welche Köpfe in Berlin bald den Ton angeben werden, ist einen Tag nach der Bundestagswahl noch offen. Das Ergebnis lässt nach wie vor viel Spielraum. Für den Moment stehen eigentlich nur zwei Dinge fest: Grüne und Liberale sitzen definitiv am Tisch und müssen sich aufeinander zu bewegen. Und am Thema Klimawende führt kein Weg mehr vorbei. Wenn es nach dem Verständnis von Priggen geht, hat der Sozialdemokrat Olaf Scholz nach dem Wählervotum das Primat der Regierungsbildung. Von ihm als Kanzler verspricht sich der LEE-Vorsitzende im Zusammenspiel mit Grünen und FDP mehr als vom scheidenden Ministerpräsident Laschet.